Previous Page  347 / 471 Next Page
Information
Show Menu
Previous Page 347 / 471 Next Page
Page Background

[304/305]

347

Mit diesen Gestaltungen ist der Kreislauf der Wirtschaft, also der

leistenden Seite, und derjenige des seelischen Begleitvorganges

vollendet. Psychologisch betrachtet, bildet sich in stets

wiederkehrender Weise das Bedürfnis (welches vitaler, geistiger,

gesellschaftlicher Art sein kann); darauf folgt die Anstrengung, es zu

stillen, und endlich die Befriedigung selbst. Wenn ich psychologisch

denke, finde ich am Anfang der Wirtschaft stets die Gefühle, Triebkräfte

und so fort in Form des „Bedürfnisses“, in der Mitte die Gefühle,

Einsichten, Willenselemente und so fort als „Anstrengung“, am / Ende

die Gefühle und so fort der „Befriedigung“. Diesen psychologischen

Kreislauf mit dem wirtschaftlichen irgendwie zu vermengen, wie es in

so vielen nationalökonomischen Begriffsbildungen heute geschieht (in

der angeführten strengen Form findet er sich bei Schäffle

1

), ist ein

schwerer methodischer Fehler. Das B e d ü r f n i s i s t k e i n e

w i r t s c h a f t l i c h e K a t e g o r i e , der Bedürfnisbegriff kein

wirtschaftswissenschaftlicher

Begriff,

vielmehr

ein

rein

psychologischer. Das „Ziel“ ist es, was Anfangspunkt der Wirtschaft

wird! Es gibt viele Bedürfnisse, die niemals „Ziel“ meines Handelns

werden; erst indem gewisse ausgewählte Bedürfnisse „Gültigkeit“ als

Ziel meines Handelns erlangen, erlangen auch Leistungen Gültigkeiten

als „Mittel“ (Vorziele), erst dann entsteht ein Anfangspunkt der

„Wirtschaft“!

Kann

die

Volkswirtschaftslehre

je

durch

Assoziationsgesetze, Lust- und Unlusteigenschaften der Bedürfnisse und

ähnliche rein psychologische Begriffe irgendeine Erkenntnis der

wirtschaftlichen Erscheinungen erlangen? Hiermit hat sie gar nichts zu

tun! Wirtschaftlich entspricht dem „Bedürfnis“ nur die Tatsache der

Gesetztheit des Zieles, genauer der „Gültigkeit“ desselben, was bedeutet:

das Bedürfnis wird geltendes Ziel für ein Handeln und damit Zweck für

Zwischenzwecke, für „Mittel“, für „Leistungen“. — Der subjektiven

„Anstrengung“ sodann entspricht wirtschaftlich die Stufenleiter der

Gültigkeiten der Leistungen (Mittel), der Vorzwecke, die in allen

wirklich erfolgenden „Aufwendungen“ von Handlungen beschlossen

liegen. Diese „Aufwendungen“ sind also wirtschaftlich ein Gebäude von

Vorzwecken („Leistungen“) — das heißt keineswegs wieder von

Empfindungen, Gefühlen, Assozia

1

Albert Schäffle: Bau und Leben des sozialen Körpers, Bd 2, 2. Aufl., Tübingen 1896.

— Liefmanns „Psychische Kosten“ sind dasselbe wie Schäffles „Anstrengung“.