Previous Page  120 / 549 Next Page
Information
Show Menu
Previous Page 120 / 549 Next Page
Page Background

122

[130/131]

Mit der Bestimmung Gottes als Subjekt-Objekt oder Indifferenz

beider (man könnte meines Erachtens in dieser Subjekt-Objektivi-

tät doch wieder das Sich-selbst-Denken finden, denn in dem Sich-

selbst-Denken liegt zweifellos auch eine Art der Identität von Sub-

jekt und Objekt) ist aber Schellings Gotteslehre nicht erschöpft. Er

unterscheidet in Gott weiterhin noch: (1) ein unvordenkliches Sein

und (2) die Potenz des Andersseinkönnens. Das unvordenkliche Sein

ist die „Natur in Gott“, die Gott in sich selbst vorfindet — wie sie

auch Jakob Böhme lehrte. Dieses unvordenkliche Sein ist seiend

schlechthin und gerade dadurch lautere Wirklichkeit, actus purus.

Hiermit allein, meint Schelling — und damit wendet er sich gegen

Aristoteles —, wäre aber in Gott nur notwendiges Sein, in ihm wäre

keine Freiheit, Gott wäre nicht sein eigener Herr! Um über diesen

schalen actus purus hinwegzukommen, sagt Schelling: W e n n d e m

a c t u s / p u r u s a u c h k e i n e P o t e n z v o r a n g e h t ,

s o k a n n i h m d o c h e i n e n a c h f o l g e n . Erst indem dies

geschieht, sieht sich Gott gegen sein unvordenkliches Sein in Frei-

heit gesetzt, erst jetzt steht ein Sein-Können über dem schlechthin

Seienden. Nun erst hat der actus purus einen Gegensatz: Das blinde,

reine, unvordenkliche Sein unterscheidet sich nun als N a t u r i n

G o t t gegenüber dem Sein-Können als G e i s t i n G o t t . Erst

damit, meint Schelling, ist auch Gott absolute Persönlichkeit. — Mit

der Natur in Gott soll ferner das Ungöttliche in der Schöpfung, die

Materie, das Böse, erklärt werden. Schelling will die Freiheit Gottes

mehr retten, als ihm das in der Lehre von der lauteren Wirklichkeit

(diese ist ihm ja noch notwendiges Sein) gewährleistet erscheint.

Bevor Gott denkt (welches bevor aber nur begrifflich, nicht zeitlich

aufzufassen ist, sagt Schelling), ist schon etwas in ihm; er findet

dieses als Natur, als Unvordenkliches in sich vor. Gottes „Sein“ ist,

bevor er denkt. Diesem unvordenklichen Sein gegenüber muß auch

ein Anders-sein-Können bestehen, eine Freiheit. Nur dadurch ist

Gott Geist, nur dadurch Herr seiner selbst

1

.

siehe oben S. 90 f., das der Grund von B wird) den schlechten, früher (siehe oben

S. 83 ff.) von uns bekämpften eleatischen Begriff eines unterschiedslosen, toten

Seins.

1

Die Hauptbelegstellen für die obige Darstellung sind: Schelling: Sämtliche

Werke, Stuttgart 1856 ff., Abt. 1, Bd 8 (Weltalter), Bd 10, S. 255 ff.; Abt. 2, Bd 1,

2. Buch.