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E r s t e r , e i n f ü h r e n d e r u n d p r ü f e n d e r T e i l

I.

Einführung in die Fragen und Denkaufgaben der Ideenlehre

auf Grund des Platonischen Lehrbegriffes

In die Frage, was die Ideen sind, kann der in so unmetaphysischer

Philosophie wie der heutigen herangewachsene Jünger am gründ-

lichsten eingeführt werden, wenn wir uns mit jener Lehre vertraut

machen, welche die Idee in der abendländischen Philosophie zum

ersten Male planmäßig behandelte, mit der platonischen Ideenlehre.

Dabei wollen wir aber nicht eine lehrgeschichtliche Darstellung,

sondern die Einführung in jene Lehre anstreben.

A.

V o r b e m e r k u n g ü b e r d i e W o r t b e d e u t u n g e n

Wörtlich bedeutet „Idee“, griechisch

ίδέα

,

das „G e s i c h t“

und hat genau wie im Deutschen sowohl die subjektive wie die

gegenständliche Bedeutung, indem es das Sehen ebenso wie das Ge-

sehene bezeichnet. In dieser, zwischen dem Ich und dem Gegen-

stande schwebenden Bedeutung, kommt auch das Schaffende, Wal-

tende und Vorbildliche der Idee zum Ausdruck. Denn das „Gesicht“,

obschon zugleich Erzeugnis des Sehens, steht dem Sehenden als Ein-

gebung gegenüber, es gibt sich ihm ein — es schafft ihn. — Andere

Namen für Idee sind bei Platon Bild,

είδος

,

A r t ,

γένος

,

Gat-

tung, Geschlecht, genus; bei Aristoteles überdies auch G e s t a l t ,

μορφή

,

Form, forma, species. Auch W e s e n ,

ούσία

,

substantia,

S u b s t a n z , wird manchmal im Sinne der Idee gebraucht, nämlich

als

ούσία

ουσιώδης

,

das Wesenheit gebende Wesen, die „forma

substan- / tialis“, jene „Form“ der Scholastiker, die dem Stoffe

ύλη

materia) gegenübersteht (substanzbegründende Form zum

Unterschiede von der forma accidentalis); Aristotelisch ist ferner

die Bezeichnung der Idee als das Vordem der Dinge

το τί ήν είναι

,

wörtlich, das Sein, das war, ihr wesenhaftes Sein. — Auch

λόγος

,