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fen. Trotz dieser absoluten Geschichtlichkeit der Ganzheit sowohl

in ihrem Umgliederungsverlaufe wie in ihrer Gliedhaftigkeit (jedes

Glied ist ein einzigartiges Unterganzes, es gibt keine Doppelgän-

gerei in der Ganzheit

1

) ist neben der Geschichte Theorie möglich.

Denn die Ganzheit ist nicht nur einzigartig, sie ist auch systematisch

ausgegliedert und durch die jeweils höhere Gattung (höhere Stufe)

typisch bestimmt

2

.

Hieraus folgt auch eine Theorie der Zeit. Die Zeit hat eine in sich

selbst beharrende, mit sich selbst dieselbe bleibende ausgliedernde

Ganzheit zur Bedingung. Die in sich beharrende, ausgliedernde

(aber nicht selbst ausgegliederte) Ganzheit ist das Zeitlose gegenüber

der Umgliederung in der Zeit. Doch werden wir eine Theorie der

Zeit in der Naturphilosophie zu entwickeln haben

3

. — Da die Zeit

nicht ein bloßes Nacheinander, sondern Umgliederung ist, so ergibt

sich die Kategorie des r e c h t e n A u g e n b l i c k e s

(χαιρός).

Das atomistische Denken ist nicht nur im Raume, es ist auch in der

Zeit unmöglich.

/

B. Die K a t e g o r i e n d e r R ü c k v e r b u n d e n h e i t

„Bruder Eckehart, wann gingt Ihr aus

dem Hause? — Immer war ich darin.“

4

Die Kategorien der Rückverbundenheit folgen aus dem Satze:

„Das Ganze geht in den Gliedern nicht unter.“

Schon die Ausgliederung ist nur dadurch denkbar, daß das Aus-

gegliederte im Ganzen befaßt, beschlossen bleibt. Was bedeutet das?

Es bedeutet, daß die ausgegliederten Glieder nicht gleichsam sedi-

mentär „abgesetzt“ oder „ausgeschieden“ werden; daß sie vielmehr

trotz der Ausgliederung z u g l e i c h im Ganzen verbleiben, daß

sie in der Einheit des Ganzen befaßt bleiben. Wir gaben oben das

1

Siehe oben S. 39.

2

Uber diese Einheit von Theorie und Geschichte Näheres in meinem Buch:

Gesellschaftsphilosophie, München und Berlin 1928, sowie unten Viertes Buch,

Pneumatologie.

3

Siehe unten Fünftes Buch: Naturphilosophie, S. 303 ff.

4

Meister Eckhart, herausgegeben von Franz Pfeiffer, Leipzig 1857, S. 181,

Zeile 6 (= Deutsche Mystiker des 14. Jahrhunderts, Bd 2, seither anastatische

Neudrucke).