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ihre Sprachen haben, daher einander nicht verstehen, bedeutet, daß es zu einer

S p r a c h v e r s c h m e l z u n g kommen muß, die in Wahrheit, da sie gebro-

chene Sprachen ergibt, ein

Sprachbruch

ist. S p r a c h b r u c h a b e r i s t G e i -

s t e s b r u c h . Wie eine solche „ S p r a c h v e r s c h m e l z u n g “ , r i c h t i g e r

e i n S p r a c h b r u c h , vor sich geht, kann man sich entfernt vorstellen,

wenn man die zweisprachig aufwachsenden Menschen an den slawischen Sprach-

grenzen des alten Österreich zu beobachten Gelegenheit hatte (wie dies beim

Verfasser der Fall war). Diese Menschen, die damals zuhause tschechisch, in der

Schule deutsch sprachen, fallen, wenn sie untereinander sprechen, z. B. aus dem

Tschechischen ins Deutsche und immer wieder umgekehrt: sie k ö n n e n

k e i n e S p r a c h e g a n z u n d v e r m e n g e n b e i d e m i t e i n a n d e r .

Daß aber Sprachmengerei, wenn sie eine allgemeine Erscheinung zweier einander

gegenüberstehender Völker wird, einen gewaltigen geistigen Rückschlag mit sich

bringen muß, ist nicht von der Hand zu weisen.

Es ist ohne Frage, daß Fichte mit seiner Kritik des französischen Volkstums

(die alles Romanische betrifft) Recht hat. Er hätte diese Kritik auch auf die

e n g l i s c h e S p r a c h e ausdehnen können, die ebenfalls als Ergebnis einer

mißglückten Kulturdurchdringung zu betrachten ist und zwar einer mehrfachen:

keltische Briten (die eine kaum überwundene Romanisierung hinter sich hatten)

— Angelsachsen — französisch sprechende Normannen. Das Ergebnis ist die eng-

lische Mischsprache, die auf einem Grund- / stocke angelsächsischer Wörter und

Formen ein Kauderwelsch lateinisch-romanischer Herkunft aufpfropft. Der Vor-

teil des großen Wortreichtums, der sich dabei allerdings ergab, kann durch den

Nachteil größter Formenarmut nicht aufgewogen werden. Es ist kein Zweifel,

daß feinfügiges, streng gliederndes D e n k e n im Englischen und auch im Ro-

manischen erschwert ist

1

. Heute beurteilt man die Sprache zu sehr als „Verkehrs-

mittel“. Da sind die romanischen Sprachen allerdings so gut wie andere, da ist

die englische sogar wegen ihres Wortreichtums überlegen. Kommt es aber auf

den Geist der Sprache an, auf ihr Vermögen, den gegenständlichen Ideengehalt

der Dinge, die Gliederung der Welt wiederzuerzeugen, auf die Sprache als Be-

leuchter der Ideenwelt, als Kulturträger, d a n n s i n d d i e S p r a c h e n

d u r c h a u s n i c h t g l e i c h w e r t i g , und jene Sprachen, die den Stempel

des Bruches an der Stirne tragen, jedenfalls den rein gebliebenen, formkräftigen

indogermanischen Sprachen nicht ebenbürtig. Es gibt kein größeres Unglück für

das Geistesleben eines Volkes als Sprachbruch.

Einen anderen Verlauf als in Italien nahm allerdings die Kulturdurchdringung

im F r a n k e n r e i c h e und sie hatte auch nicht gleich ungünstige Ergebnisse.

Zu erkennen, inwiefern es gerade hiermit eine andere Bewandtnis hatte als bei

den ähnlichen geschichtlichen Vorgängen in Italien, Südfrankreich (Westgoten-

reich) und Spanien scheint uns von Wichtigkeit.

1

„Kaum in den Besitz des persischen

Oupnek’ hat“, so

wird über D u p e r -

r o n berichtet, „gelangt, begann er die Übersetzung desselben ins Französische.

Er ließ einige Abschnitte in Zeitschriften erscheinen, überzeugte sich aber bald,

daß die französische Sprache nicht geeignet sei, dem Texte gerecht zu werden“.

Er übersetzte ihn daher ins Lateinische. (Die aus den Veden zusammengefaßte

Lehre von dem Brahman. Aus der sanskrit-persischen Übersetzung des Fürsten

Mohammed Daraschekoh in das Lateinische von Anquetil Duperron, ins Deutsche

übertragen von Franz Mischel, Dresden 1882, S. VI.)