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[VIII/IX]

lismus, Umwelteinfluß, Anknüpfung der Menschheitsgeschichte an

die Naturgeschichte, Zurücktreten des Zweckbegriffes, Rationalis-

mus, äußere Beobachtung, naturwissenschaftliches Verfahren über-

haupt, die notwendige — wenn auch oft verschleierte — Folge.

Wird das Werden geistig gedacht und der Geist in seiner Tiefe

erfaßt, dann sind Sinnzusammenhang, Ganzheit, Zweck, Schöpfer-

tum, Freiheit, Vorrang des Geistes vor der Natur, arteigenes geistes-

wissenschaftliches Verfahren die Folge. Und dann hat dieses schöpfe-

rische Werden Hintergründe, die auf ein Überrationales, Überwelt-

liches hinweisen. Dann kann es auch bei der äußeren „Induktion“

nicht bleiben, sondern es wird ein i n n e r e s V e r h ä l t n i s zur

Geschichte verfahrenmäßig erfordert.

Damit sind die grundsätzlichen Unterschiede der begrifflichen

Voraussetzungen und Systemzusammenhänge jeder Geschichts-

philosophie bezeichnet. Für beide Standpunkte ist die geschichtliche

Wirklichkeit um eine Welt verschieden.

Nun werden aber die meisten Leser sich diesem Gegensatze ent-

ziehen wollen und verlangen, zunächst einmal das Lehrgut der

Geschichtsphilosophie sozusagen für sich kennen zu lernen. Aber

gerade das — bedeutet die Entscheidung für den naturwissenschaft-

lichen Standpunkt. So leicht kann es dem Jünger der Philosophie

nicht gemacht werden. Er kann den Widerstreit dreier Jahrhunderte

nicht überspringen, der darin liegt, daß die herrschende mechanische

Naturansicht der / Selbständigkeit des Geistes allen Boden entzieht.

Denn ist die Natur nichts als eine Summe stofflicher Atome, von

sogenannten ewigen Naturgesetzen umgetrieben, dann ist auch der

Mensch, den uns Seelenlehre, Gesellschaftslehre, Geschichte in inniger

Verbindung mit der Natur zeigen, unrettbar in das Naturgesetz

hineingezogen, als Endgültiges, über das niemand hinauskommt,

das stoffliche Atom festgesetzt, für Freiheit und Schöpfertum kein

Raum. Geschichtsphilosophie ohne Auseinandersetzung mit dieser

Frage, an der zugleich das Schicksal der neueren Kultur hängt, ist

unmöglich.

Der heutige Mensch sucht, von den furchtbaren Schlägen des

Schicksals aufgeschreckt, wieder ein inneres Verhältnis zur Geschichte

und kann es, da er keines zum G e i s t e hat, doch nicht finden. Er

möchte auch die Geschichte um Rat fragen. Aber dem Fragenden

kann Antwort nur in seiner eigenen Art gegeben werden. Er ist