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aber auch für den erkenntnistheoretisch geschulten Forscher von heute

klingen mag, daß das vergleichende (also beschreibend-geschichtliche)

Verfahren der Völkerkunde naturwissenschaftlicher Art sein soll, so sind

doch die älteren Forscher ganz von dieser Auffassung ausgegangen. Ihre

Meinung, die heute (seit dem Vordringen der Kulturkreislehre) allerdings

nicht mehr die volle Vorherrschaft hat, ist:

1. daß die primitivsten Zustände, die unsere Erfahrung jeweils

aufdeckt, die geschichtlich ältesten seien;

2.

daß durch deren Erkenntnis auch die „komplexen“ Verhältnisse und

Erscheinungen der heutigen Gesellschaft zu erklären wären!

Will man zum Beispiel wissen, was moderner Staat oder kapitalistische

Wirtschaft ihremWesen nach sind, so kann man, nach der Meinung dieser

Schule, die Antwort am besten durch Zurückgehen auf die primitivsten

Zustände der Naturvölker erlangen. Kinderpsychologie und Völkerkunde

wären danach die besten Schlüssel für die moderne Gesellschaft! Das

Wesen dieser selbst wird dabei fast durchaus empiristisch, positivistisch,

ursächlich im Comteschen Sinne gefaßt. — Auf deutschem Boden kann

heute die völkerkundliche Soziologenschule fast als erloschen gelten.

Umgekehrt werden die Völkerkundler selbst immer mehr zu Soziologen,

sie gehen immer mehr mit soziologischem und sozialwissenschaftlichem

Rüstzeuge an ihre Arbeit / heran. In der Tat muß man ja, um z. B. die

Wirtschaft der Naturvölker zu erforschen, vorher Wirtschaftstheorie

betrieben haben.

In der Völkerkunde sind drei Richtungen zu unterscheiden:

Die Lehre vom „Völker“- oder „Elementargedanken“;

die Lehre von der „Entlehnung“ und

die „Kulturkreislehre“.

A.

V ö l k e r g e d a n k e u n d E n t l e h n u n g

Nach A d o l f B a s t i a n haben die einzelnen Völker wenigstens die

„Elementargedanken“ ihrer Kulturen, z. B. der Kulthandlungen, der

Technik, der Bewaffnung, jeweils selber zu erzeugen vermocht, da

dieselben Bewußtseinsstufen, die Johann Friedrich