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Überlegt man den Gedanken Baaders näher, daß aus Vollkom-

menem nur Vollkommenes kommen könne, die Zeit (und der

Raum) daher erst aus der Verderbnis dieses Vollkommenen ent-

standen sei, so findet man, daß er nicht zwingend ist. Denn gleich

vollkommen wie das Ganze kann kein Glied sein (das Glied ist kein

Doppelgänger des Ganzen, das Ganze gliedert sich notwendig in

mehrere Glieder aus, muß darum hinter ihm Zurückbleiben

1

),

gleich vollkommen wie der Schöpfer kann kein Geschöpf sein, dar-

um auch die Welt nicht gleich vollkommen mit Gott. In ihr setzt

sich das Wesen nicht aus eigenem Grunde, in ihr folgt Schaffen aus

Geschaffenwerden. Aus dem Begriffe / der Ganzheit wie aus dem

Begriffe „Schaffen aus Geschaffenwerden“ geht daher hervor, daß in

der Schöpfung eine Abschwächung der göttlichen Wesenheit erfolgt.

Sollte denn Gott noch einmal sich selbst schaffen? In dieser wesens-

verschiedenen Abschwächung sind Raum und Zeit mit inbegriffen

2

.

Der Sündenfall erklärt erst die Verderbnis in Mensch und Natur;

Raum und Zeit aber sind als Formen der Endlichkeit überhaupt zu

begreifen, nicht als Formen der Verderbnis, daher nicht notwendig

an den Sündenfall gekettet.

II. Das Wesen der Zeit

Zur Aufrollung der Fragen und Denkaufgaben des Zeitbegriffes

führt uns nicht nur der Begriffszusammenhang der Ontologie und

Naturphilosophie, sondern auch jener der Gesellschaftsphilosophie,

da die Zeit zuletzt überall auf eine G e s c h i c h t s p h i l o s o -

p h i e hindrängt

3

. Darum sind die nachstehenden Untersuchun-

gen nicht nur ontologisch gemeint, sondern auch geschichtsphilo-

1

Vgl. oben S. 39 ff. und meine Kategorienlehre, 2. Aufl., Jena 1939, S. 126 ff.

2

Ähnliches scheint Baader in einem anderen Zusammenhange selbst zu

entwickeln, vgl. Franz von Baader: Sämtliche Werke, Bd 2, Leipzig 1951,8. 519 ff.

3

Schon Baader hat es ausgesprochen, daß die Geschichtsphilosophie auf

eine Theorie der Zeit hinweist. Vgl. Franz von Baader: Elementarbegriffe über

die Zeit als Einleitung zur Philosophie der Sozietät und der Geschichte (1831),

jetzt abgedruckt in: Franz von Baaders Schriften zur Gesellschaftsphilosophie,

herausgegeben von Johannes Sauter, Jena 1925, S. 532 ff. (= Die Herdflamme,

Bd 14).

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