Previous Page  352 / 549 Next Page
Information
Show Menu
Previous Page 352 / 549 Next Page
Page Background

354

[394/395]

wir eine organische Zeit nachgewiesen

1

. Der Begriff der Zeitstufe

oder Epoche weist auch auf den des Z e i t g e i s t e s hin. Denn

jede Zeitstufe ist auch eine arteigene Entfaltung des Gehaltes der

Ganzheit. Und überall, wo die eine Stufe von der anderen abgelöst

wird, entsteht die Erscheinung der Z e i t e n w e n d e oder Krise

mit ihren Störungsmerkmalen. Schon in der einfachen Umgliede-

rung ist „Krise“, sofern Umgliederung ja gerade darin besteht, Vor-

handenes zurückzunehmen und neu auszugliedern: Nur durch

innere Kämpfe hindurch entfaltet sich das Ganze. In der Zeiten-

wende, in der sich die inneren Entfaltungsstufen scheiden, erhöht

sich notwendig diese Schärfe. Das bestätigt die Geschichte. Daß die

Romantik emporwuchs, war schon in sich selbst eine Krise der

Aufklärung.

An dieser Stelle ist es vornehmlich, wo der Lehrbegriff der Zeit

in G e s c h i c h t s p h i l o s o p h i e u n d G e s e l l s c h a f t s -

p h i l o s o p h i e übergeht.

Ist die Zeit gegliedert, so ist sie auch nicht umkehrbar. Nur das

Homogene ist vertauschbar, nur wahrhaft homogene Zeit wäre

umkehrbar. In der Wirklichkeit ist der Zeitverlauf aber, wie jeder-

mann weiß, nicht umkehrbar. Die Nichtumkehrbarkeit der Zeit ist

für den mechanischen Zeitbegriff ein Paradoxon. Denn mechanisch

genommen ist das Hin gleich dem Her. Und dasselbe folgt, wie ge-

sagt, aus der sogenannten „Homogenität des Kontinuums“. Im

Bestimmungslosen, Homogenen, gibt es keine Richtung. Dagegen

folgt aus dem Begriffe der Gegliedertheit, daß man die Glieder nicht

beliebig verwechseln und verkehren kann.

Die Nichtumkehrbarkeit der Zeit folgt aber auch daraus, daß es

Umgliederung, nicht aber Aneinanderreihung ist, was / in ihr sich

vollzieht — „Umgliederung“ ist aber wieder in sich selbst (in der

Aufeinanderfolge) gegliedert, Umgliederung ist sinnvolle Entfal-

tung und darum nicht umkehrbar.

Die Nichtumkehrbarkeit der Zeit folgt weiter aus dem Gefüge

beziehungsweise der inneren Einheit ihrer Abschnitte, der soge-

nannten „Zeitdimensionen“

2

. Wir sahen früher, daß Vergangen-

heit und Zukunft in jeder Gegenwart auf bestimmte Weise ver-

1

Vgl. mein Buch: Kategorienlehre, 2. Aufl., Jena 1939, S. 214 und 222.

2

Siehe oben S. 346 f.