Previous Page  59 / 549 Next Page
Information
Show Menu
Previous Page 59 / 549 Next Page
Page Background

[60/61]

61

Gesichte der Schaffenden nicht im Dasein waren. Zwar konnte die-

ses Schaffen nur mit H i l f e äußerer und innerer Mittel ge-

schehen — nämlich des Bewußtseinsbesitzes, der in der künstleri-

schen Bildung, in den gelehrten Kenntnissen, in der Sprache und so

weiter gegeben und zur Ausführung des Schaffens unerläßlich ist;

aber das Mittel ist nie und nimmer schöpferisch. Nur das, was dem

Gelehrten neu einfällt, was der Dichter neu dichtete, war ein Schaf-

fen; anderenfalls wäre es Wiederholung früherer Zustände gewesen.

Wenn ein Baumeister dasselbe / Haus baut wie früher, geschah hin-

sichtlich dieser Dasselbigkeit nichts Neues, trotz des Gebrauches von

Holz, Stein und Werkzeugen; wenn er aber aus schöpferischem

Einfalle heraus eine neue Form, einen neuen Stil findet, erst dann

schuf er. Wo aber war dieses „Neue“? doch nicht in den Elementen

des früher Gelernten und Gewußten? Dann wäre es ja nur Zusam-

menstellung, Klitterung und nicht neu! Sofern es neu ist, ist es ge-

schaffen, und sofern es vorher nicht da war, ist es aus dem Nichts

geschaffen.

Das Schaffen aus dem Nichts, so zeigt sich auf alle Weise, kommt

daher nicht nur Gott, sondern auch — in ihrer Weise — allen Ge-

schöpfen zu. Hier liegt der grundlegende Unterschied zwischen Ur-

schaffen und abgeleitetem Schaffen nicht. Er liegt vielmehr in der

Natur des Schöpfergedankens, des Urbildes. Während dem Ge-

schöpfe der Schöpfergedanke, das Urbild des zu Schaffenden, an-

erschaffen und vorgeschaffen wird, nimmt ihn Gott aus sich selbst.

Darum kann Gott durchaus nur als erstes und reines Schaffen ge-

dacht werden

1

.

III.

Warum der Schöpfer das Geschöpf nicht allein schaffen könne,

sondern es dazu noch des eigenen Schaffens oder der

Selbstverwirklichung des Geschöpfes bedürfe

Wir erklärten das Sein als „Schaffen aus Geschaffenwerden“ und

haben nun alle Voraussetzungen in der Hand, diesen Begriff voll-

ständig zu entwickeln.

1

Vgl. auch mein Buch: Kategorienlehre,

z.

Aufl., Jena 1939, S. 357 ff., wo vom

Begriffe der Ausgliederung her die Schöpfung aus dem Nichts entwickelt wurde.