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der Heilung entgegenstellt, daher Störung und Vereitelung des

guten Strebens durch Verführung, Verblendung, Verfinsterung,

Spiegelfechterei, Fatamorgana sein Wesen ist. Mit Recht wurde der

Böse von je als Verführer und Arglistiger dargestellt. Verführung

und Arglist sind nicht möglich ohne den Schein. Nicht der Schein

allein aber macht es, er muß einem Echten störend in den Weg

treten, als wäre er selbst das Echte, nämlich die echte Wiedervervoll-

kommnung, Erneuerung und Heilung.

Diese seine Aufgabe ist aber nicht leicht. Das Gewöhnliche,

Hausbackene ist zu schwach, um sie zu vollbringen. Darum bedarf

es dazu einer besonderen Kraft. Diese Kraft ist das, was man ebenso

als bösen D ä m o n o d e r U n h o l d w i e a l s G e g e n g e n i e

bezeichnen darf. Das Unholdische nämlich muß, um seinen Zweck

zu erreichen, Genie vortäuschen, muß echtes Genie nachäffen. Daher

ist der Anführer der Gegenstörung recht eigentlich G e n i e - A f f e .

Er ahmt durch Radikalismus die Tatkraft und Entschiedenheit des

echten Schöpfergeistes nach, durch Utopie und Schwärmerei dessen

Eingebung und hohes Ziel, durch Arglist und Niedertracht dessen

geistige Verknüpfungsfähigkeit (so der von Ehrgeiz vergiftete

falsche Freund).

/

Erst in der Führerlehre werden wir uns über die Führer zur

Rechten und zur Linken, die echten Schöpfergeister und die Un-

holde zu besprechen haben. Hier genüge dieser erste Hinweis.

In der Unvollkommenheit aller Umgliederung und in den verschiedenen For-

men, die wir in der Übersichtstafel zusammenstellten, liegen geschichtliche Ur-

tatsachen, ohne die keine geschichtliche Kategorienlehre etwas leisten kann. Daß

Hegels Geschichtsphilosophie infolge des eindeutigen Ganges der Dialektik aller

Störung durch das Unvollkommene und daraus folgender Uneindeutigkeit des

Geschehens entbehrte (da in der Dialektik auch die „Gegensetzung“, das minus,

eine gleichwichtige und einsinnige Setzung ist); daß damit die Dialektik ferner

der unabsehbaren Verwickelungen durch die Störungen, die das Unvollkommene

mit seinen Wiedererneuerungen und Gegenstößen aller Art in sich schließt, ent-

behrte, das war der schwerste Mangel, den sie als zergliedernde Geschichtsphilo-

sophie haben konnte. — Wir werden bei Erörterung der Brüche und Spannun-

gen wieder auf diese Frage stoßen.

C.

U n v o l l k o m m e n h e i t u n d E r l ö s u n g

Das Vollkommene hat den Vorrang vor dem Unvollkommenen,

denn maßgebend ist das reine Wesen, das im Sachgehalte selbst ge-

meinte (gesollte) Wesen, das in die Welt kommt. Aber für die Ge-