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Wesens der Natur noch auf Wesen am Grunde. Sie deutet nicht

auf Totes, Mechanisches.

Woher aber Trübung und Zwiespalt?

Wir werden nun nicht mißverstanden werden, wenn wir in

diesem Sinne, der die Natur in ihrer Wesensdarstellung und als

Künstlerin meint, sagen: in die echte Naturphilosophie muß auch

etwas von dem hineinkommen, was man gleichsam gnostisch

nennen könnte, nämlich etwas von Taten, von Geisterkampf,

Bruch, Zerrüttung der sich verräumlichenden Mächte und darum

auch von Unholdentum, Dämonie. Aristoteles sagt:

ή γάρ φόσις

δαιμόνια, άλλ’ ού θεία

, die Natur ist dämonisch, nicht göttlich.

Die Natur ist aus Gottes Hand hervorgegangen. Aber in ihr,

so wie wir sie finden, ist Vollkommenes und Unvollkommenes,

Wesen und Unwesen. Auch das Vollkommene beruht auf Ver-

äußerlichung, Trennung, Vereinzelung, Vermittelbarung. Und

darum ist dem reinen Geiste, der innerlich, ganz, unmittelbar ist,

die Natur im Grunde stumm, ja seinem Wesen zugleich irgendwie

zuwider. Beides verstehen wir: das Entgegen- und Zuwidersein /

und doch auch die Möglichkeit der stofflichen Natur, den Geist

zu tragen, dem Innerlichen des Geistes eine Stätte zu sein. Denn

eben weil die Natur nicht ausschließlich Äußerlichkeit, vielmehr

Innerlichkeit, Unmittelbarkeit ist, daher Züge echter Ganzheit

sich gerettet hat, kann sie dem Geiste die Grundlage seiner

Entfaltung in der Äußerlichkeit bieten.

Unvollkommenheit, Dämonie sehen wir überall dort in der

Natur, wo Zerstörungssucht, Feindschaft gegen Gestalt, gegen-

seitiges Sichverschlingen der Erscheinungen am Werke ist.

Aber auch überall dort, wo Katastrophen, Unordnungen sich

zeigen. Die alten Völker betrachteten Verfinsterungen der Ge-

stirne mit Scheu. Sie hatten mit dieser Ansicht mehr recht als

die mechanistische Physik, soferne sie darin ganz und gar nichts

anderes als zwangläufige Folgen zwangläufiger Bedingungen zu

sehen vermag.

Auch ungeheure Wüsten, Eisflächen, unfruchtbare Erdstriche,

alles Maßlose, Unwirtliche, Schädliche, der Durst des Tantalos,

das rastlose Fallenlassen des Gewordenen, das alles deutet auf

Unvollkommenheiten nicht nur, sondern auf Widrigkeit. Zwar

kann man diese Behauptung nicht ohne Recht „anthropomorph“

nennen. Aber nur äußerlich. Denn die Hingeordnetheit der