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denen Zeitgestalt; und in dieser erkennen wir wieder ein ver-

schiedenes Gepräge der vorräumlichen Wesen. Denn eine ver-

schiedene Wesensart, eine verschiedene Individualität der als

Würfel, Eisblume oder 48-Flächner usw. in die Erscheinung

tretenden Naturdinge ist nicht zu verkennen. Es offenbaren sich

uns je andere Tathandlungen, Wirkungsweisen in diesen Ge-

staltungen. Was sich uns unmittelbar als Verschiedenheit / von

Raumgestalten zeigt, ist in Wahrheit die Übertragung aus an-

deren vorräumlichen Charakteren und anderen Zeitgestalten der

betreffenden Naturwesen in die Räumlichkeit.

Auch bei jener Erscheinung, welche die Kristallographen

„Kristallskelette“

1

nennen, zeigt sich deutlich die innere Rhyth-

mik der Verräumlichung als Grundlage der Kristallbildung.

Alles am Kristall ist Niederschlag innerer Rhythmik seines

Werdens. Jede Raumgestalt ist gefrorene Musik.

B. B e i s p i e l d e r c h e m i s c h e n V e r b i n d u n g

Ein anderes Beispiel der Verräumlichung bildet die chemische

Reaktion. In ihr sehen wir aus alten neue Räume und Gestalten

entstehen, z. B. aus Chlor und Natrium Salz, aus Wasserstoff

und Sauerstoff Wasser. Wir haben schon früher erkannt, daß

es neue Eigenschaften sind, die sich da verräumlichen

2

. Es liegt

klar am Tage, daß damit ein n e u e s W e r d e n , also auch

eine neue Raum- und Gestaltbildung, vorliegt. Und zwar nach

dem Entwerden, nach der Enträumlichung, der Entstaltung der

alten Stoffe.

Das chemische Geschehen ist jedoch nur scheinbar neben der

Kristallbildung ein neues Beispiel der Gestaltbildung, denn es

vollzieht sich grundsätzlich als Kristallisation. Die meisten

chemischen Vorgänge ergeben ja geradewegs Kristalle oder

kristallinische Gebilde. Bei diesen liegt natürlich ebenso wie bei

jedem Kristall eine neue Räumlichkeit mit eigenem Gefüge aus

bevorzugten Richtungen vor. Aber auch in jenen anderen Fällen,

wo nach außen hin sichtbar keine kristallinischen Gebilde

entstehen, sondern sogenannte a m o r p h e S t o f f e oder

F l ü s s i g k e i t e n oder G a s e (die alle amorph sein sollen),

1 Vgl. Ernst Haeckel: Kristallseelen, Leipzig 1917, S. 8f. und öfter.

2

Siehe oben S. 31.