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wendig auch an der Gestalt vorüber, weil er dann den Körper

nur als Anhäufung, als Summe von Teilchen auffaßt.

Auf eine grundsätzliche Folgerung aus dem Begriffe der Ge-

stalt sei schon jetzt hingewiesen. Wo G e s t a l t i s t , g i b t

e s a u c h e i n O b e n u n d U n t e n , e i n R e c h t s u n d

L i n k s . So hat die Erde durch die magnetischen und geo-

graphischen Pole einerseits, die Gegenden des Sonnenauf- und

-Unterganges andrerseits (überdies durch die sogenannte Ab-

plattung

1

) bestimmte, festgelegte Richtungen eigen. Feste Rich-

tungen hat demnach die Gestalt nicht erst nach fremden „Be-

zugsystemen“, sondern aus ihren eigenen inneren Maßstäben

selbst (wovon nur homogene Kugeln und Kreise eine Ausnahme

machen, die aber, wie sich zeigte, selbst nur der Grenzfall der

Gestalt sind). Der Begriff des B e z u g s y s t e m s wird uns

nunmehr durch den des h ö h e r e n G e s t a l t e n g e b ä u -

d e s , dessen Glied jeweils jedes bestimmte Ding bildet, ersetzt.

Die gefügte Gestalt enthüllt sich uns hier als Ordnungsmacht

in der Natur. Wir können sie bis zum Planetensystem konkret

verfolgen.

Zusatz über den Übergang vom Vorräumlichen zum Räumlichen

Der Übergang vom Vor- oder Überräumlichen zum Räumlichen ist ein My-

sterium, das wir nicht ergründen können. Wir können aber doch eine gewisse

Annäherung an das eigentlich Unvorstellbare erreichen, wenn wir uns folgendes

vorzustellen versuchen.

/

Das Vorräumliche fassen wir einmal rein verneinend als Nichtraum, als das-

jenige, das auch noch keinerlei räumliche Bestimmtheiten, Beschaffenheiten

(z. B. Wärme, elektrisches Feld, Bewegung) aufweist. Dieser Nichtraum ist zwar

selber noch nicht Raum, hat aber doch die Möglichkeit zum Raum in sich.

W i r d d i e s e M ö g l i c h k e i t z u r W i r k l i c h k e i t , so heißt das, daß im

Nichtraum plötzlich Bestimmtheiten entstehen, die ihn zur Räumlichkeit

machen, also das, was dann als Wärme, elektrisches Feld, Bewegung zur Erschei-

nung kommt. D i e s e B e s t i m m t h e i t i s t z u g l e i c h R a u m b i l d u n g ,

weil sie Bestimmung eines vorher Unbestimmten, also auch nicht eigentlich,

das heißt nicht aktuell Seienden ist.

Freilich ist hiemit das Geheimnis der Verräumlichung eines Vorräumlichen

nicht enthüllt. Aber es ist doch sozusagen ein Z w i s c h e n z u s t a n d z w i -

s c h e n R ä u m l i c h k e i t u n d V o r r ä u m l i c h k e i t begreiflich gemacht.

Eben jener Zustand, den wir erreichen, wenn wir eine gegebene Räumlichkeit

aller Bestimmtheit berauben — dann erhalten wir keineswegs einen „leeren

Raum”, denn ein Raum, der überhaupt keinerlei Bestimmtheit hätte (keine

Zuständlichkeit durch Wärme, Elektrizität, Bewegung, Druck, Licht, Finsternis,

1

Siehe oben S. 68.