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geraten von getrennten Teilen aufzufassen, die Natur zu mecha-

nisieren, die Natur zu denaturieren.

Wie ist aber die Frage nach der Kleinstform, in der die

Verräumlichung vor sich geht, dem „kleinsten Raume“, in der

die Natur wirkt, zu lösen? Führt sie nicht doch wieder auf

Atome?

Die Umbildung der Räume kann allerdings nur konkret vor

sich gehen, und das heißt vom Kleinen zum Kleinen. Zum Bei-

spiel entsteht ein Kristall, indem die Teilchen aus den Lösungen

„anschießen“ (so pflegt man sich’s wenigstens vorzustellen, und

wir nehmen diese Vorstellung vorläufig an, trotzdem in der

Lösung ja nicht m e c h a n i s c h e Teilchen da sind, sondern

die Lösung vielmehr nur nach Art einer chemischen Durch-

dringung verständlich ist). Der Weg der Umbildung von Räu-

men, der Umverräumlichung, ginge dann von Teilgestalt zu

Teilgestalt, und zwar der elementarsten, kleinsten Teilgestalt.

Die ursprüngliche Verräumlichung oder ursprüngliche Raum-

bildung muß man sich anders vorstellen. Sie ist ein s c h ö p f e -

r i s c h e r Vorgang. Jeder schöpferische Vorgang nun hat das

an sich, daß er mit einem Male ein G a n z e s hervorbringt.

Das e c h t e S c h a f f e n g e h t n i e m a l s v o n T e i l

z u T e i l f o r t . E s b r i n g t e i n i n d e r A n l a g e g e -

g l i e d e r t e s G a n z e s h e r v o r . Es geht erst beim Aus-

gestalten vom Ganzen in die Glieder, hiebei das Allgemeine

(Ganze) immer mehr bestimmend (determinierend) und nur in

diesem Sinne allerdings von Teil zu Teil, von Haltestelle zu

Haltestelle. Am geistigen Schaffen läßt sich dies leicht erläutern.

Jedem Denker, Entdecker, Erfinder kommt ein E i n f a l l a l s

s o l c h e r — das heißt eben als eine Ganzheit, wenn auch erst

noch als ein unausgestalteter, nicht konkret ausgearbeiteter

Einfall. Auch hat dieser Einfall V o r a u s s e t z u n g e n ,

nämlich in anderen Gedanken, aber nicht von diesen Gedanken

als von Teilen zu Teilen aus wird der Einfall hervorgebracht,

sondern — weil / er eben auf Schöpfertum beruht und nicht eine

bloße Verbindung, „Assoziation“ usw. ist — als ein neuer Ge-

danke. Nur als Ganzes also kann die Eingebung, Intuition,

Vision auftauchen, entstehen. So auch beim künstlerischen

Schaffen. Auch hier muß eine dichterische Gestalt, z. B. Sieg-

frieds oder Wilhelm Teils, als solche vom Künstler erschaut,