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ben zu erklären und das heißt (im Sinne der alten Assoziationspsy-

chologie), die Religion aus Vorstellung, Gefühl oder Wille abzulei-

ten.

Dieser Irrtum führte folgerichtigerweise dazu, jede Gottheit als

eine bestimmte „Naturgewalt“, wie z. B. Nebel, Donner, Wind,

Himmel zu erklären und die allgemeine Grundlage dieser Natur-

Götterwelt in der willkürlichen Allpersonifizierung oder Allbesee-

lung, welche der primitive Mensch vornahm, zu finden, im „Ani-

mismus“, wie Taylor das nannte. Nun ist die Naturtheorie längst

als unhaltbar aufgegeben; und auch der Animismus abgelöst durch

den, allerdings noch falscheren, „Präanimismus“, das heißt den Zau-

ber mit unpersönlichen (!) Mächten der Natur. Wie man aber aus

unpersönlichen Mächten gerade Dämonen und Götter, das ist per-

sönliche Mächte, erklären soll, bleibt uns diese Theorie schuldig

1

.

Die religionsgeschichtliche Grundtatsache, daß alle Religionen ihre

Götter nach persönlicher Art vorstellen, darf man auch nicht als

„anthropomorphen Animismus“ wegerklären wollen. Vielmehr be-

greifen wir sie aus der inneren Notwendigkeit des religiösen Er-

lebens: Das Rückverbundene, der Mensch, findet, wie sich uns schon

ergab, das Rückverbindende, Gott, notwendig in irgendeinem Sinn

sich selbst wesensähnlich, und es faßt diese Ähnlich- / keit in der

Form der Persönlichkeit Gottes auf. Eine unpersönliche, allgemeine

„Macht“ oder dergleichen, von welcher die „präanimistische“ Schule

spricht, kann es im ursprünglichen religiösen Bewußtsein nie und

nimmer geben.

Das heißt nun anders gesagt: der Mensch faßt sich als t h e o -

m o r p h auf; seine Vorstellung Gottes als von persönlicher Art

ist kein sinn- und bodenloser ,Anthropomorphismus“ der poly-

theistischen Religionen, — welcher in ihnen allerdings durch Uber-

wucherung des Sagen- und Fabelmäßigen zwar eine große, aber stets

sekundäre Rolle spielt — sondern der Theomorphismus des Men-

schen als innere Notwendigkeit des religiösen Aktuierens ist für

dieses Personifizieren das Entscheidende.

Nicht die Religion, erst die p h i l o s o p h i s c h e S p e k u -

l a t i o n ging zum Teil andere Wege. Erst sie faßte zuweilen das

höchste Rückverbindende auf pantheistisch-unpersönliche Weise auf.

1

Siehe unten S. 163 f.