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Einzelnen zu den Ganzheiten muß die Bewährung dafür liegen, ob sein

eigenes Wesen richtig erfaßt wurde und ein begreifliches Verhältnis der

Eingliederung sich ergibt.

Das vollständige Urteil und die entscheidende Einsicht über Wert und

Unwert der Einzelheitslehre wird erst später möglich sein, wenn wir auch

das ihr entgegengesetzte Lehrstück, die Ganzheitslehre (den

Universalismus) kennengelernt haben; aber die Verfolgung der auf- /

geworfenen Zweifelsfrage wird uns bereits über die Grundstellung der

Einzelheitslehre belehren.

1. Verfolgen wir zuerst die Anknüpfung des Einzelnen an das

gesellschaftliche Ganze, an den andern Menschen

1

: Da begegnen wir einer

uns nicht unbekannten Schwierigkeit: Die Selbstwüchsig- keit ist ihrem

Begriffe nach Losreißung des Einzelnen von dem andern, weil sie ja eben

das Beruhen in sich, die Selbstgegründet- heit, ausspricht. Die

Einzelheitslehre sieht notwendig das Reich der Menschheit an als ein

Reich isolierter selbstgenüglicher Geistigkeiten. Das individualistische

Denken faßt die Menschen etwa in der Art, wie wir uns die Bäume im

Walde vorstellen könnten. Der einzelne Baum sei etwas, das durch eigene

Keimkraft emporgewachsen ist, s e l b s t in der Erde wurzelt, selbst sich

zum Gewächs gestaltet. Die Bäume wachsen auch grundsätzlich

unabhängig voneinander, „Wald“ kann man als eine bloße Anzahl von

einzelnen, ganz selbständigen Wachstumskräften, Wachstums-Autarkien

ansehen; ebenso die Gesellschaft als Summe autarker Geister. Die

1

Es darf den Anfänger nicht stören, daß hier und später von mehrerlei „Ganzheiten“ die

Rede ist. Auch sind, wenn wir das allgemeine gesellschaftliche Verhältnis der Menschen

ganzheitlich begreifen, alle Sondergebiete des gesell- schaftlichen Lebens, wie Staat, Kirche,

Familie, Völkertum, wieder Ganzheiten für sich, Unterganzheiten. Das Wesentliche, das der

Anfänger in der Folge an der Ganzheit zu begreifen hat, ist: das G e f ü g e d e r

G a n z h e i t (die Struktur) als neue und entscheidende Grundtatsache im Gegensatze zur G

e - f ü g e l o s i g k e i t d e s H a u f e n s (Strukturlosigkeit) zu verstehen. —Von da aus ist

dann leicht zu erkennen, daß ein Gegenstand mit ganzheitlichem Gefüge auch ein

grundsätzlich anderes V e r f a h r e n der Forschung fordert als der mechanische Haufen.

Beherrscht

man

endlich

die

K a t e g o r i e n

d i e s e s

V e r f a h r e n s

(Ausgliederungsordnung;

Gliedhaftigkeit;

Rang;

Leistung;

Ebenbildlichkeit;

Rückverbundenheit und so fort), dann vermag man auch mühelos die v e r s c h i e d e n e n

A r t e n v o n G a n z h e i t e n zu überblicken, mit denen es die ganzheitlichen

Wissenschaften (und das sind alle Geisteswissenschaften) zu tun haben. — Vgl. unten

fünftes Buch unter „Verfahrenlehre“, S. 633 ff.