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die flache Nützlichkeitsethik zu überwinden (denn daß sie flach ist, dürfte

ja heute, wo die neukantische Schule die schlimmsten Formen des

Empirismus beseitigt hat, kaum mehr Widerspruch finden). Wenn die

Religion eine bestimmte Sittlichkeit gebietet, die als religiöse natürlich

niemals rein utilitarisch sein kann, so sind damit die Vordersätze, welche

der gesellschaftliche Individualismus in sich schließt, beiseite geschoben,

übertönt. Gerade dadurch, daß der Individualismus dem selbstwüchsigen

Einzelnen anheimgibt, sein Urteil zu fällen, ist es ihm möglich, auch ein

solches zu fällen, das seine Selbstwüchsigkeit und Souveränität nicht

überall aufrechterhält.

IV. Pädagogischer Individualismus

Der Begriff des selbstwüchsigen Einzelnen drängt auch zu einer

Entscheidung in dem alten Streite über das Wesen der E r z i e h u n g ,

der in zugespitzter / Form folgender ist:

(1)

Der Schüler ist grundsätzlich bildsam, jene geistige Umwelt, in die

ihn der Lehrer stellt, wird ihn schließlich vollständig ummodeln;

(2)

Erziehung kann an dem Kern der Individualität gar nichts ändern.

So wie aus einem Taubenei immer nur eine Taube, so wird aus jeder

bestimmten Individualität nur sie selbst. Erziehung wäre danach, wie sich

schon früher erwies

1

, kein eigentlicher innerer Bildungsvorgang, ähnlich

wie ja auch die Fütterung der Taube nicht ihre Bildung — die sie in ihrem

eigenen Wachstumsgesetz hat — ist. Der Lehrer reicht Kenntnisse dar,

ähnlich wie es eine Sprechwalze, ein Automat auch tun würde, die innere

Bildung der Seelenkräfte geschieht im Individuum selbst — was ja eben

den tiefsten Begriff der Selbstwüchsigkeit begründet.

Der Individualismus drängt seiner Natur nach zum letzteren Gedankengang, daher die

Hinwendung zum Praktischen und zur Unterrichtstechnik in der Pädagogik der Aufklärung.

(Pädagogischer Grundsatz der Aufklärung von Johannes Basedow bis Johann Herbart: Pflege

der realistischen Fächer, Hinwendung zum Nützlichen und zur Bildung des Körpers.) —

Allerdings fehlt es auch nicht an Individualisten, die dem ersteren zuneigen. Der Begriff des

guten Naturzustandes hat Rousseau zu der Lehre verleitet, daß durch gute Erziehung alle

1

Siehe oben S. 91.