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Wissenschaft (Laplacesche Weltformel). Denn dem Begriffe des selbstwüchsigen Einzelnen

folgt, daß er als ein eigenes Kraftzentrum, gleich dem Atom der Naturwissenschaft, auftritt;

daher das wechselweise Aufeinanderwirken dieser Kräfte den Gegenstand der

Gesellschaftslehre charakterisiert. „Aufeinanderwirken“ heißt aber, daß ursächliche

Wirkungen wissenschaftlich zu erforschen sind;

2. Diese Wirkungen sind nun ganz bestimmter Natur. Welcher? Diese Frage bleibt offen,

aber eine Antwort ist es, die sich vor allem in den Vordergrund drängt: Psychologische

Wechselwirkung im Sinne jener naturwissenschaftlichen Seelenlehre nämlich, die in der

sogenannten „Assoziationspsychologie“ ihren reinen Ausdruck fand. — Es folgt: daß die

E i n z e l h e i t s l e h r e i n H i n s i c h t d e s V e r f a h r e n s k a u s a

1

m e c h a n

i s c h e r u n d p s y c h o l o g i s c h e r N a t u r i s t .

VII. Die Hochschätzung der Individualität

Keine Folgerung unmittelbar aus der individualistischen

Gesellschaftserklärung ist dagegen die Hochschätzung der Individualität,

gerade jener Gedanke, der in der modernen Zeit so große Geltung hat und

den Goethe in dem bekannten, meist falsch zitierten und halb

verstandenen Vers ausdrückte; „Höchstes Glück der Erdenkinder sei nur

die Persönlichkeit.“ Die g e s e l l s c h a f t s w i s s e n s c h a f t l i c h e

E i n z e 1 h e i t s 1 e h r e b e s a g t l e d i g l i c h , d a ß d i e

G e s e l l s c h a f t n u r a u s E i n z e l n e n b e s t ü n d e u n d

d i e s e E i n z e l n e n s i c h a l s s e l b s t w ü c h s i g e , i n s i c h

g e g r ü n d e t e R e a l i t ä t e n e r w e i s e n ; s i e h a t a b e r

k e i n e B e g r i f f s m i t t e 1 i n d e r H a n d , d i e

E i n z i g a r t i g k e i t u n d U n w i e d e r h o l b a r k e i t d e r

E i n z e l n e n

a b z u l e i t e n .

Die

Einzigartigkeit

und

Unwiederholbarkeit der Einzelnen liegt in ihr nicht selbst beschlossen und

ebensowenig

die

Hochschätzung

dieser

Einzigartigkeit:

als

F o r d e r u n g e n liegen ihr beide allerdings sehr nahe. Aber eine

theoretische Erklärung hat sie nicht für sie! Wenn jeder ein absolutes

Individuum ist, so ist es wahrscheinlich, daß jedes Individuum ein anderes

ist — aber dies kann erst die Erfahrung bestätigen, es liegt im Vordersatze

selber noch nicht beschlossen; und daß dann diese Andersheit und

Unwiederholbarkeit g e w e r t e t / wird — auch das liegt nicht im

Vordersatze, sondern in andern Gedankengängen, von denen das

Werturteil erst hergenommen werden muß. Aber allerdings ordnen sich

beide Elemente: die Erfahrung, daß jeder Einzelne vom andern abweicht,