Table of Contents Table of Contents
Previous Page  1734 / 9133 Next Page
Information
Show Menu
Previous Page 1734 / 9133 Next Page
Page Background

336

[276/277]

II. Wissenschaft, Erfahrung, Umwelt

Je nach dem empiristischen oder nicht-empiristischen Wissensbe-

griffe ergibt sich ein anderes Verhältnis des Wissens zur Erfahrung.

Erfahrung ist nach empiristischem Begriffe: die Summe der S i n -

n e s e i n d r ü c k e (aus äußerer wie aus gesellschaftlicher Umwelt

stammend) und ihre „Sublimierung“ zu Vorstellungen, die wieder

nach Assoziationsgesetzen „kombiniert“ werden — daher die Vor-

herrschaft der äußeren U m w e l t . — Erfahrung ist nach nicht-

empiristischer Auffassung: die eigengesetzliche (apriorische) For-

mung der Sinneseindrücke, die Gestaltung des Stoffes durch die Ka-

tegorien des Verstandes. — Über diesen „Kritizismus“ hinaus sagt

die ontologische Auffassung, das heißt der objektive (nicht bloß

subjektiv-apriorische) Idealismus noch, daß diese Kategorien zu-

gleich dem Wesensgehalte der Dinge entsprechen. In beiden Fällen

ergibt sich: In s e i n e m e i g e n e n l o g i s c h e n G e s e t z e

i s t d a s D e n k e n v o n d e m w e c h s e l n d e n I n h a l t e

d e r E r f a h r u n g b e f r e i t .

Wissenschaft ist darum nach nicht-empiristischer Lehre keines-

wegs schlechthin von der Umwelt, vom Erfahrungsinhalte abhän-

gig. Wissenschaft hat als Verkörperung des Logischen eine eigen-

gesetzliche Bedingtheit und eine eigene Entwicklung. Denn sie ent-

steht erst durch richtiges wesenhaftes Denken, besonders durch

gültige / Verallgemeinerung von Erfahrungsinhalten, und erhebt

sich eben damit über bloße, wechselnde Erfahrung.

Wissenschaft ist, wie ihrem Inhalte so auch ihrem formalen Ge-

füge nach, etwas Selbständiges. Die Wahrheit wissenschaftlicher Er-

kenntnis beruht nicht, wie der Empirismus will, auf der Summe des

am öftesten Empfundenen und Gedachten, noch ist sie ein mechani-

scher Reflex äußerer Umwelt, oder eine Gewöhnung, von der Um-

welt bedingt. Wahrheit ist vielmehr die wesengemäße Weise der

Erkenntnis, damit zugleich eine Norm und ein Wert

1

.

Gleichviel, wie man dies im Einzelnen weiter bestimmt (auf die

Probleme der Logiker über die weitere Entwicklung des Wahr-

heitsbegriffes uns einzulassen, haben wir keine Ursache

2

), die

1

Vgl. unten S. 341 ff.

2

Den Entwurf einer Logik vom ganzheitlichen Standpunkt siehe in meinem

Beitrag: Die Einheit von Theorie und Geschichte, in: Aus Politik und Geschichte,