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Aber auch die akademisch wissenschaftlichen Auseinanderset-

zungen um seine Lehre spielten sich von seinem Standpunkt mehr

auf einem Nebenschauplatz ab. Seine Äußerungen darauf — so

scharf sie auch sein mochten — waren immer ein sich von selbst

einstellendes Ergebnis seines Schaffens: Wenn das ganzheitliche

Verfahren, wenn der Universalismus für ihn die Wahrheit in sich

schloß, mußten eben das individualistische Verfahren und alle

seine Ableitungen Irrtum sein. Natürlich ist auch zuzugestehen,

daß auf beiden Ebenen dieses Kampfes — auf der mehr äußerlich-

politischen wie der verfahrenmäßig-geistigen — Spann an sich

nicht unbeteiligt oder daran „unschuldig“ war, falls dieses Wort

hier angebracht. Seine kämpferische Art wirkte diesbezüglich wohl

auf- und hervorreizend. Aber der Zeitgeist einerseits und die inner-

wissenschaftliche Problementfaltung andererseits, die damals an

einem Wendepunkte angelangt waren, können nicht weggedacht

werden, will man dem Verständnis dieser Auseinandersetzungen

wirklich näherkommen.

Als beredtes und vielleicht einprägsamstes Beispiel für die wissen-

schaftliche Auseinandersetzung um die Ganzheitslehre, den soge-

nannten „Kampf um Othmar Spann“, mag seine Abhandlung „Ein

Wort an meine Gegner auf dem Wiener Soziologentage“ (1927)

stehen

21

, die zur Verlebendigung obiger Darlegungen (und als wich-

tige Ergänzung zugleich zur Gesamtausgabe) im Anhang wieder-

gegeben ist.

Ungleich stärkeres Aufsehen als das wissenschaftlich zentrale

Werk der „Gesellschaftslehre“ erregte Spanns Buch „Der Wahre

Staat. Vorlesungen über Abbruch und Neubau der Gesellschaft“

(1921) nach seinen an der Wiener Universität gehaltenen gleich-

betitelten Vorlesungen. Im Vorwort zur zweiten Auflage, die 1922

erschien, heißt es diesbezüglich: „Die Vorträge, aus denen dieses

Buch hervorging, wurden im Sommer-Semester 1920 an der Wiener

Universität inmitten einer politisch hocherregten Zuhörerschaft

gehalten . . . Davon haben diese Vorträge auf meiner Seite . . . den

Geist der Fehde empfangen . . . Dennoch soll das Streitbare an den

21

Kölner Vierteljahreshefte für Soziologie, Jg 6,Heft 4,München—Leipzig 1927, S. 311 ff.