Previous Page  417 / 471 Next Page
Information
Show Menu
Previous Page 417 / 471 Next Page
Page Background

[371/372]

419

von der individualistischen Theorie, sondern überhaupt fast von jeder

Begrifflichkeit abgekommen und haben dadurch die Wissenschaft

schließlich an die reine Geschichte verloren. (Dies gilt allerdings weit

mehr von der jüngeren geschichtlichen Schule als von der älteren.)

3.

Bedingt auch die Grenznutzenschule

1

. Sie kann, äußerlich ge

sehen, als die Vollendung der individualistischen Theorie der

Wertrechnung angesehen werden, sofern sie eine weit vollkommenere

quantitative Theorie des Wertes und Preises an die Stelle der älteren

Formen setzt. Doch ist gerade der Begriff des Grenznutzens auch ein

Überwinder der mechanistischen Auffassung oder kann es wenigstens

seiner Natur nach werden. Schon indem diese Theorie sich auf den

„Nutzen“ gründet statt auf die Arbeitsmenge, stellt sie nicht mehr ein

roh mechanisch quantifizierendes Maß auf und verleiht sie der

Wirtschaftsrechnung bereits ein unendlich lebendigeres Gesicht. (Die

universalistische Wendung und Verwertung der Grenznutzenlehre ist

aber noch erst zu vollziehen. Bei von Wieser sind bisher die meisten

Ansätze.) Hierzu

/

4.

endlich die eigentlichen Nachfolger Adam Müllers (wenn auch

nicht im Sinne von Schülern): Thiinen und List, mit denen auch

Dühring und Carey genannt zu werden verdienen. T h ü n e n u n d

L i s t h a b e n g e z e i g t , w a s d e r G r u n d s a t z : d i e k o n

geschichtliche Lage ganz verschieden beantwortet. Es ist besonders das geistige Gefüge

einer Zeit, welchen Grad von organisierter Gemeinsamkeit sie erträgt. Ein Staat, der nur

von vollkommenen gläubigen Christen bewohnt wird, ist der richtige Boden für den

Kommunismus und die Theokratie urchristlicher Zeiten. Und diese Verfassungen

werden für ihn die vollkommenste Staatsform sein: aber nur, w e i l s i e e i n e

s c h o n g e g e b e n e , g l e i c h a r t i g e G e i s t i g k e i t d u r c h e i n

h ö c h s t e s M a ß a n B i n d u n g s t e i g e r n u n d v e r s i c h e r n . Ein

Staat jedoch, in welchem geistig alles auseinanderflattert und ein wahrer April von

Sonnenschein, Wind, Wolken, Schnee, Hagel und Donner niedergeht, ist so formlos und

unglücklich, daß für strenge Bindung und Gemeinsamkeit auch in den Augen des

universalistischen Staatsmannes kein Raum ist, sondern ein gewisses Maß anarchischer

Demokratie freigelassen werden muß. Der Universalismus sagt nichts anderes, als daß

„Ganzheit“, daß geistige Gemeinsamkeit und Verbindung das eigentliche aufbauende

Moment in Gesellschaft, Staat und Wirtschaft ist. Die „Anwendung“ dieser Erkenntnis

ist, wie überall, wo es sich um Anwendung handelt, eine Aufgabe, aber keine Theorie

und keine Wissenschaft.

1

Anmerkung zum Neudruck: Heute kann der Verfasser in der Anerkennung des

Grenznutzens nicht so weit gehen. Vgl. das Vorwort IX ff. [oben S. 3 ff.].