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Das i n t u i t i v e

D e n k e n

h a t

a b e r

i n

d e r

G e s e l l s c h a f t s w i s s e n s c h a f t

e i n e

a n d e r e

B e d e u t u n g a l s i n d e r N a t u r w i s s e n s c h a f t . Es gibt

nämlich zweierlei erlebende Denkakte:

1.

jene, welche das Gleiche unter dem Verschiedenen herausfinden,

und

2.

jene, welche überdies in dem als gleich Erschauten das Wesen der

S a c h e i n n e r l i c h v e r s t e h e n d n a c h s c h ö p f e n .

Wenn Robert Mayer Verbrennung und Energievorgang bei Pferd und

Dampfmaschine als gleich erkennt, so ist nur die Gleichheit, die

E i n e r l e i h e i t dieser verschiedensten Äußerungen erkannt; aber das

Innere des Wesens ist noch nicht aufgeschlossen. Was Feuer und Energie

ist, bleibt uns als körperlicher Vorgang immer fremd und wird daher nach

bloß äußerer Aufeinanderfolge, das ist mechanisch-ursächlich-quantita- /

tiv bestimmt. — Was dagegen in der Gesellschaftswissenschaft im

erlebenden Denken geleistet wird, ist das a u f s c h l i e ß e n d e

V e r s t e h e n d e s G e g e n s t a n d e s s e l b s t . Wer in einen

Gerichtssaal tritt, dort Kläger, Anwalt und Richter am Werke sieht und

erkennt: „das ist eine Gerichtsverhandlung“, der hat das innere Wesen von

Klage, Recht und Rechtsprechung verstanden. Wer Leute sieht, die sich so

benehmen, wie Rückert schreibt, und sagt — ah, das sind Spieler!, der hat

das innere Wesen dieses Vorganges aufgeschlossen, d a h e r n i c h t

m e c h a n i s c h e U r s ä c h l i c h k e i t , s o n d e r n i n n e r e r

S i n n z u s a m m e n h a n g , das ist Ganzheitszusammenhang, das

Verfahren bestimmt! Wir nennen diese Wesens-Intuition das

aufschließende Erlebnis und Verstehen oder die mitempfindende,

mitfühlende Erleuchtung oder Divination.

Hiermit haben wir erst ganz den Unterschied zwischen

Gesellschaftswissenschaft und Naturwissenschaft erfaßt, welcher uns über

Wesen und Würde der gesellschaftlichen Wissenschaften den letzten

Aufschluß gibt. — Das aufschließende Wesensverständnis bleibt der

Naturwissenschaft ewig fremd. Warum bei steigender Temperatur die

Quecksilbersäule steigt, warum der Stein zur Erde fällt, das kann man nie

m i t e m p f i n d e n , nie innerlich verstehen. Die Naturwissenschaft

kann im Fallgesetz die Aufeinanderfolge der Fallbewegungen zahlenmäßig

genau angeben, aber im Vergleich mit der