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bringen. Indem dadurch alle Wissenschaften — die ja gesellschaftliche Erscheinungen sind —

in ihren sozialen Bedingtheiten erfaßt werden, werden sie gleichzeitig „revolutioniert“.

Dieser Anschauung gemäß war für Comte die m e n s c h l i c h e G e s e l l s c h a f t

nichts anderes als ein „System gegenseitiger Abhängigkeit“, ein Geschehen, das die

Fortsetzung der biologischen Welt darstellte, nämlich die Wechselwirkung der „biologischen

Einheiten“, der Menschen.

Dieser Gedanke in Comtes Soziologie wird vor allem an seiner Unterscheidung einer

sozialen S t a t i k u n d D y n a m i k verständlich.

Der allgemeinste Begriff der statischen Soziologie ist der „ c o n s e n s u s u n i -

v e r s e

1

“, das ist der Allzusammenhang der „sozialen Elemente“, der „biologischen

Einheiten“ (nämlich der Menschen) untereinander; es wird von Comte auch als das Prinzip

der „Harmonie“, des „Gleichgewichtes“ oder der „Ordnung“ bezeichnet. Die „Statik“ Comtes

untersucht als „p h y s i q u e s o c i a l e “ den — nach Art der Mechanik gedachten —

Zusammenhalt des sozialen Lebens in den Bedingungen des Individuums, in der Familie (als

der Elementargesellschaft) und der Gesellschaft als Ganzem. Der mechanisch-physikalische

„consensus“ erhält zugleich (allerdings im utilitarischen Sinne zu verstehendes) sittliches

Gepräge, indem er zugleich als „ s o l i d a r i t e f o n d a m e n t a l e “ erscheint.

Der Hauptbegriff der dynamischen Soziologie dagegen ist die Verkettung aller

sukzessiven Veränderungen, das ist der Entwicklung nach dem Grundsatze des

ununterbrochenen F o r t s c h r i t t e s . Dieses „dynamische Prinzip“ folgte nach ihm aus

dem statischen der durchgängigen Solidarität der Teile; denn diese muß mit um so größerem

Rechte während der Bewegung bestehen, als jede Bewegung sonst, wie in der Mechanik,

spontan auf die völlige Zersetzung des Systems hinauslaufen würde. Die „Dynamik“

untersucht die Bewegung des sozialen Lebens. Ihr Hauptergebnis ist das „G e s e t z d e r

A u f e i n a n d e r f o l g e d e r d r e i Z u s t ä n d e“, nämlich „eines ursprünglich

theologischen, vorübergehend metaphysischen und schließlich positiven, die unsere

Intelligenz immer auf jedem Forschungsgebiete durchläuft“.

Von Comte zweigt sowohl eine biologische (sogenannte organische)

wie auch eine physikalisch-mechanische Schule ab

1

.

Der Grundgedanke der sogenannten „biologischen“ oder „organischen Schule“ ist die

Ähnlichkeit zwischen Gesellschaft und Organismus. Dieser Grundgedanke ist an sich richtig,

wird aber als Verfahren dadurch entwertet, daß der O r g a n i s m u s s e l b s t w i e d e r

a l s I n b e g r i f f c h e m i s c h - p h y s i k a

1

i s c h e r V o r g ä n g e g e f a ß t

w i r d , das heißt selbst wieder ebenso kausalmechanisch wie ein physikalischer

Mechanismus, z. B. der Gravitation. Wäre der Organismus von dieser Schule als ein

zweckvolles Gebilde gefaßt worden, so hätte auch das Verfahren umgebildet werden müssen

und nicht mechanisch bleiben können. Es hätte dann entweder teleologisch oder ganzheitlich

werden müssen. So aber blieb die sogenannte „organische Analogie“, wonach z. B. Nerven-

zentren, / Extremitäten, Stoffwechsel und so fort in der Gesellschaft zu unterscheiden wären,

im rohen, äußerlichen Vergleich stecken. (Parlament als Zentralnervensystem, Polizei als

Greiforgan, Wirtschaft als Stoffwechsel, die Kirche als Frau, der Staat als Mann und

dergleichen mehr.)

1

Letztere siehe unten S. 27.