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d e r u n g e n und als Träger der in diesen Gliederungen liegenden

Aufgaben aufgefaßt werden könne, daß daher den Klassenunter-

schieden im tieferen, wesenhaften Sinne organische Unterschiede in

den gesellschaftlichen Verrichtungen notwendig zugrunde liegen,

kommt unserem, in diesem Falle durchaus marxistisch befangenen

Verfasser gar nicht in den Sinn.

Von den übrigen Teilen des Werkes, auf die wir leider nicht

mehr eingehen können, hebe ich noch hervor: die wirtschafts-

geschichtlichen Stücke, die zu den besten gehören; ferner die „Rechts-

soziologie“ und eine sehr umfangreiche, aber allerdings auch nicht

vollendete „Religionssoziologie“. — / Der Rechts- und Staatsbegriff

Max Webers ist ein durchaus subjektivistischer, naturalistischer und

psychologistischer Auf Seite 412 heißt es: „.. . das Bestehen eines

konkreten Rechtes (ist) a potiori die Gewährung eines Superaddi-

tums von Chance dafür: daß bestimmte Erwartungen nicht ent-

täuscht werden. . . . “ Sollte das Recht wirklich nicht mehr sein?

Und das „Superadditum von Chance dafür: daß bestimmte Erwar-

tungen nicht enttäuscht werden“, ist überdies ein rein — individua-

listischer Begriff, denn nur Rechte von psychologisch betrachteten

Subjekten könnten dahin bestimmt werden! Max Weber hat auch

nicht bemerkt, daß er dadurch im besten Falle psychologische Ge-

fühle, die sich bei Rechtsvorgängen abspielen, hervorhebt, keines-

falls aber den Begriff des Rechtes selbst — als eines Teilinhaltes der

Gesellschaft — damit berührt

1

.

Ähnliches gilt gegenüber dem Begriff der Nation, die zunächst

dadurch bezeichnet sein soll, „daß gewissen Menschengruppen ein

spezifisches Solidaritätsempfinden anderen gegenüber z u z u m u -

ten s e i . . .“

2

— eine wertlose Scheindefinition, die schon in dem

Worte „spezifisch“ die ganze Denkaufgabe ohne Scheu ungelöst

zurückläßt.

Als Geschichtsforscher hat Max Weber gewiß seine ernstesten

Leistungen aufzuweisen, aber auch da ist sein Streben oft verneinend.

Seine berühmt gewordene Erklärung der Entstehung des Kapitalis-

mus aus einer asketisch-religiösen Einstellung (der kalvinistischen

1

Vgl. auch Hans Kelsens Kritik in der: Zeitschrift für Volkswirtschaft und So-

zialpolitik, Neue Folge, Bd 1, Wien 1921, S. 104 ff.

2

Max Weber: Wirtschaft und Gesellschaft, S. 627.