Previous Page  191 / 389 Next Page
Information
Show Menu
Previous Page 191 / 389 Next Page
Page Background

[133/134]

191

Diese Äußerungen zeigen einerseits, daß mich Max Weber nicht

richtig verstanden hat, anderseits, daß er durchaus, mit voller Selbst-

verständlichkeit und Naivität — Individualist ist! Mein Gedanken-

gang, auf den sich Max Weber hier bezieht, ist kurz gesagt der: daß

die sozialen Erscheinungen e n t w e d e r von ihren Bestandteilen,

den einzelnen Menschen und ihren Handlungen, her begriffen wer-

den o d e r vom Ganzen her, z. B. von „Gesellschaft“, „Staat“ her.

Im ersten Falle sind die einzelnen Bestandteile (die Menschen,

Handlungen), das Primäre, das eigentlich Wirkliche, in sich selbst

Gegründete und vor ihren Kombinationen oder „Beziehungen“

schon fertig, schon real; und die A n a l y s i s d e r g e s e l l -

s c h a f t l i c h e n E r s c h e i n u n g e n w i r d i n d e r F o l g e

s t e t s d i e s e n S t a n d p u n k t f e s t h a l t e n , das heißt ein

„Ganzes“ als e i g e n e Realität nicht anerkennen, sondern jedes

„Ganze“ mit allen seinen Eigenschaften aus den Einzelnen h e r 1 e i -

t e n. Und in diesem Sinne wird der Begriff des Einzelnen als des

Primären, der des scheinbaren „Ganzen“ aber (das dann in Wahrheit

nur eine Summe ist) als des Abgeleiteten, methodisch grundlegend

sein. Dieser Standpunkt ist der individualistische, er hat mit „Wer-

tung“, wie Max Weber meint, als solcher gar nichts zu tun, er beruht

auf einer Wesensanalyse. Aus ihm f o l g t allerdings auch eine Wer-

tung oder kann wenigstens folgen: denn derjenige, der im Einzelnen

das primär Wirkliche sieht, wird auch nur dem Einzelnen den pri-

mären Wert zubilligen. — Ferner sagte ich, in meiner „Gesellschaffs-

lehre“ (1. Auflage 1914) und in meinem „Fundament der Volkswirt-

schaftslehre“ (1. Auflage 1918), daß umgekehrt, wenn man von den

gesellschaftlichen Erscheinungen als G a n z h e i t e n ausgehe, man

d i e s e n die primäre Wirklichkeit zuschreiben und alles Einzelne

(zuletzt auch die einzelnen Menschen, ihre Handlungen usw.) als das

Sekundäre, als das vom Ganzen in dem Sinne Abgeleitete betrach-

ten müsse, daß es nur im Rahmen des Ganzen, daß es nur als

G l i e d möglich sei.

/

Max Weber verstand mich in diesem Gedankengang so wenig,

daß er in der obigen Erwiderung: (1) von „Wertung" sprach, welche

mit dem Kern meiner Unterscheidung des Individualismus und Uni-

versalismus (die auf einem rein a n a l y t i s c h e n Gedankengang

ruht) gar nichts zu tun hat, und behauptete, die individualistische

Methode bedeute eine „individualistische Wertung“. Max Weber