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die grundsätzlichen Standpunkte in der Ideenlehre oder „Univer-

salien“ lehre durch folgende Stichworte gekennzeichnet: u n i v e r -

s a l i a a n t e r e m (platonische Formel); in re (aristotelische

Formel); p o s t r e m . Die letztere Formel ist die des s p ä t m i t -

t e l a l t e r l i c h e n N o m i n a l i s m u s , dem das Allgemeine

nur ein Name (nomen) ist, der erst aus dem Denken der Dinge durch

die Menschen folgt. Die Idee wäre danach nur der nachträglich ab-

strahierte Allgemeinbegriff (post rem). — Die nicht-nominalisti-

schen Scholastiker suchten eine Vermittlung zwischen dem ante rem

und in re, dem platonischen und aristotelischen Standpunkte, womit

sie die entscheidende Denkaufgabe der Ideenlehre richtig erkannten

und weiter verfolgten

1

.

Den nicht einfach festzustellenden Standpunkt des hl. Thomas faßt Kleutgen

in die Worte zusammen: Das Allgemeine „ist seinem Grunde nach in den

Dingen, seinem formalen Sein nach im Geiste. Wir müssen nämlich in dem

Allgemeinen die Sache selber von ihrer Allgemeinheit unterscheiden. Die S a c h e ,

welcher die Allgemeinheit zukommt, ist in den Dingen, nämlich ihre Natur und

Wesenheit; die Allgemeinheit aber ist zwar ihrem Grunde nach in eben dieser

Natur enthalten; aber sie besteht doch nur durch die Betrachtung des Geistes“

2

.

„Die Naturdinge, aus welchen unser Geist seine Erkenntnis schöpft, mensurieren

ihn [unseren Geist] und sind selbst durch den göttlichen Geist mensu-

riert... So ist der göttliche Geist mensurierend, aber nicht selbst mensuriert, das

Naturding mensurierend und mensuriert, unser Geist ist mensuriert, aber nicht die

Naturdinge mensurierend ...“. „Indem Gott seine Wesenheit als so und nicht

anders von dieser bestimmten Kreatur nachahmbar erkennt, erkennt er sie als

den der Kreatur eigentümlichen Begriff und Idee (rationem et ideam).“ (Kleut-

gen: Philosophie der Vorzeit.) Danach gibt es Ideen von den Einzeldingen. /

Außer der philosophischen Ideenlehre scholastischer Prägung hat

aber das Christentum eine andere, lebendige: die Lehre vom Corpus

Christi mysticum

3

.

Wir übergehen die gesamte öde Zwischenzeit, in der der E m p i -

r i s m u s das Erbe des N o m i n a l i s m u s verwaltet. Es zeigt

sich eine neue Entwicklung erst im deutschen Idealismus.

1

Joseph Kleutgen: Die Philosophie der Vorzeit, 2

.

Aufl., Innsbruck 1878,

Bd 1, S. 144 ff., Bd 2, S. 74 ff.

2

Joseph Kleutgen: Die Philosophie der Vorzeit, Bd 1, 2. Aufl., Innsbruck

1878, S. 262 f.

3

Vgl. oben S. 398 f.