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erscheint selbst als Ausdruck einer gliedhaften Idee. Der Begriff der

Ganzheit kennt den Begriff des „Bandes“ nicht. Die Ganzheit ist

nicht das „Band“ der Glieder, weil sie nicht n e b e n den Gliedern

nochmals, als solche da ist

1

. Die Idee ist daher kein Drittes zwi-

schen zwei Dingen, sondern sie ist das die Dinge Ausgliedernde, sie

stellt sich in den Gliedern dar. Sie erklärt daher nicht nur das „Ge-

meinsame“ zwischen gleichartigen Dingen (als den Gliedern), son-

dern auch das V e r s c h i e d e n e , weil in dem Begriffe der Aus-

gliederung, wie wir oben ausführten, die unwiederholbare Verschie-

denheit der Dinge bei aller Gleichartigkeit liegt. Die Überhöhung

der Einzeldinge (Glieder) von der Idee (Ganzheit), die auch der Ein-

wand des „dritten Menschen“ tatsächlich ins Auge faßt, findet hier

allerdings statt, aber nicht mechanisch die Summe von gemeinsamen

Merkmalen umfassend, so daß sie ins Endlose führen müßte, sondern

in dem Sinne eines schöpferischen Ausgliederns.

D.

Die V e r d o p p e l u n g d e r W e l t

Dürfen wir jene Schwierigkeiten, die sich uns in Jenseitigkeit,

Einwohnung, Teilnahme und so fort ergaben, für überwunden / hal-

ten, so verbleibt als der einzige allgemeine Einwand, der sich gegen

j e d e Ideenlehre geltend zu machen scheint: daß die Annahme

einer eigenen Ideenwelt neben der irdischen eine unnütze Verdop-

pelung sei

2

.

Dieser Einwand besteht für die ganzheitliche Auffassung nicht

zu Recht. Ihr ist die Idee keine Verdopplung, sondern eine Ver-

wesentlichung, eine Begründung der Welt.

Der Einwand der Verdopplung, den Aristoteles gegen Platon er-

hob, ergibt sich seltsamerweise gegen Aristoteles selbst viel schärfer

als gegen Platon. Die Ideen als transzendente Allgemeinheiten ver-

doppeln die Welt weniger als die „Formen“, die jedem einzelnen

Dinge einwohnen. Gerade da könnte es überflüssig erscheinen, ein-

mal das Ding selbst, dann seine Form anzunehmen, da letztere nach

Aristoteles nichts ist als der Inbegriff jener Bestimmungen, die schon

in den Dingen liegen.

1

Vgl. meine Kategorienlehre, 2. Aufl., Jena 1939, S. 60 ff. und 92 f.

2

Siehe oben S. 409 und 411 f.