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Denn in Wahrheit können die Formen in keinem Sinne aus dem Stoffe als einem

in sich Bestimmungslosen, Formlosen „herausgeführt“ werden. Die Materie ent-

hält ja begriffsgemäß nichts in sich, es können daher auch keine „Formen“ her-

ausgeführt werden. — Die Schwierigkeit verschwindet, wenn man den Stoff als

eine in sich selbst gegliederte, als eine arteigene bestimmte Welt erkennt und

wenn man dementsprechend die Formen („Ideen“) auf Geist und Leben be-

schränkt. Erkennt man die Materie als in sich selbst nicht bestimmungslos, form-

los, sondern als das, was sich bereits zur arteigenen, nämlich stofflichen Weise

(„Form“) bestimmte und verräumlichte, dann ergibt sich: daß sie zur Aufnahme

von anderen als den ihr selbst eigenen Wesensbestimmtheiten (Formen) gar nicht

befähigt ist. Die Form der Bildsäule (eine geistige Form) hat das Holz nur

werkzeuglich, nicht wesenhaft; die Form „dürres Holz“, „brennendes Holz“,

„Asche“ kommt ihm dagegen / selbst wesenhaft zu. Die M a t e r i e k a n n

d i e I d e e , d e n G e d a n k e n , g a r n i c h t a u f n e h m e n . S i e i s t n u r

z u r G e z w e i u n g h ö h e r e r O r d n u n g m i t d e r I d e e b e f ä h i g t .

Man erkennt nun leicht den Fehler, den das Beispiel vom Holzblock oder

Marmorblock, der die „Form“ der Bildsäule bekommen soll, enthält. Denn wenn

aus dem Holz- oder Marmorblock eine Bildsäule wird, so ändert sich die art-

eigene Wesensform des Holzes (faserig, leicht) oder des Marmors (körnig,

schwer) nicht, beide bleiben, was sie waren und sind auch vom derselben

Gleichgültigkeit gegen eine bestimmte äußere Gestaltung wie früher. Die

G e s t a l t d e r B i l d s ä u l e w u r d e a l s o n i c h t a u s d e m M a r m o r

„ e d u z i e r t “ , n i c h t a u s i h m „ h e r a u s g e f ü h r t “ , i h m n i c h t i n -

n e r l i c h a n g e b i l d e t , s o n d e r n n u r ä u ß e r l i c h u n d a u f w e r k -

z e u g l i c h e W e i s e h e r v o r g e b r a c h t . Erst wenn die Bildsäule spre-

chen und denken könnte, hätte der Stoff die Wesensform „menschliche Gestalt“,

„Mensch“ erhalten.

Wenn ferner die „Formen“ (Ideen) in der natürlichen Stoffwelt selber wech-

seln, zum Beispiel aus Marmor Kalk oder aus Holz Asche, aus Wasser Wasserdunst

wird — auch dann werden nicht aus dem Stoffe selbst neue Formen „heraus-

geführt“, denn im Holze wohnt nicht etwa latent die „Wesensform“ Asche, son-

dern: U m g l i e d e r u n g s v o r g ä n g e , f e r n e r V e r b i n d u n g e n u n d

T r e n n u n g e n d e r s i c h a u s g l i e d e r n d e n u n d z u r ü c k n e h m e n -

d e n G a n z h e i t e n , Rücknahme der Materie in ihre immaterielle Wurzel,

stoffliche Neuausgliederungen durch neue Wesenheiten — das ist es, was hier

in analogem Sinne vorliegt, wie in der Umgliederung, Rücknahme und so fort der

geistigen Ganzheiten.

Daß ferner alle Veränderung im Stoffe nach festen „Gesetzen“ vor sich geht

und an bestimmte Aufeinanderfolge gebunden ist. Da zum Beispiel nur das Holz

durch Feuer zu Asche werden kann, nicht aber der Marmorblock, wird gleich-

falls durch Umgliederung (Ausgliederung und Rücknahme) verständlich. Teils ist,

wie in jeder Umgliederung, so auch hier die spätere Phase (Umgliederungsstufe)

immer auf die früheren angewiesen, es wird also ein bestimmtes Verwirkli-

chungsstadium, eine bestimmte Wirklichkeit vorausgesetzt; teils aber ist das Neu-

auftreten (die Neuausgliederung) der immateriellen Wesenheiten ebenso an be-

stimmte, schon aktuierte Ausgliederungen gebunden, wie wir dies auch bei der

„Verleiblichung“ der Ideen im organischen Leben beobachten. Auch dort ist die

Geburt der Idee an die organische Materie, an den Samen, gebunden

1

.

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1

Vgl. oben S. 97 ff.