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liche Bestimmung. Denn alles Geschaffene „ist“ zwar, jedoch nur so-

weit es im Geschaffenwerden s c h w e b t , das heißt von der schaffen-

den Mitte gehalten und nicht zurückgenommen wurde. Das S e i n

„ i s t “ n i c h t i m e l e a t i s c h e n S i n n e d e s N i e - V e r -

g e h e n - K ö n n e n s

u n d

N i e - E n t s t a n d e n - S e i n s ;

e s „ w i r d “ a b e r a u c h n i c h t i m h e r a k l i t i s c h e n

S i n n e d e r u n a u f h ö r l i c h e n V e r ä n d e r u n g u n d

d e s n i e m a l i g e n S e i n s , des niemaligen Bei-sich-selbst Seins,

niemaligen Zur-Einheit-Kommens. Sein „ist“ und „wird“, beides

nur im Sinne des immer neu Zurückgenommenen und immer neu

Ausgegliederten — des im Geschaffenwerden schwebenden Schaf-

fenden, des Schaffens aus Geschaffenwerden.

Daher haben wir unserer ersten Grundbestimmung „alles Sein

ist Schaffen aus Geschaffenwerden“ als zweite hinzuzu- / fügen:

Alles Sein ist unaufhörlich n e u e s Schaffen und Geschaffenwerden,

was wir kurz in den Satz kleiden:

Alles Sein ist jung (2).

Erst später werden wir das Verhältnis des Schaffens zu seinem

Geschaffenwerden genau zu betrachten haben. Soviel aber dürfen

wir schon hier voraussetzen: daß j e d e s D i n g n u r d a -

d u r c h s c h a f f t , d a ß e s v o n s e i n e m H ö h e r n , z u -

l e t z t v o n s e i n e m S c h ö p f e r g e h a l t e n , g e s c h a f -

f e n w i r d . Dies wird sich als der tiefste Angelpunkt des Seins-

begriffes erweisen, daß im Sein nicht nur „Wirken“ angenommen

wird, sondern auch das Wirkende selbst als Gewirktes erkannt

werde. Es darf nicht ein totes Pünktchen im Sein geben, sonst wäre

das gesamte Sein getötet; es darf nichts Alterndes im Sein geben,

sonst wäre das gesamte Sein gealtert und welk. Alles Schaffen und

Geschaffen werden ist immer ursprünglich und jung.

Darum hat alles Sein die Taufrische des Morgens, darum hat die

Welt ihren Schmelz und Glanz. Alles Geniale ist kindlich, bleibt

zart und jugendfrisch; was aber dumpf und abgelebt ist, hat auch

nur ein gemindertes Sein und rüstet sich zum Sterben.

Darum kommen wir immer wieder darauf zurück: Es gibt kein

stehendes, kein in sich beruhendes, kein abgestandenes Sein, kein

Sein auf Lager; es gibt kein fertiges Sein. Denn was fertig ist, ist

auch schon stockig, ist tot nach jenem Gesetze der Rücknahme und

Neuausgliederung; und was tot ist, löst sich in Nichts auf.