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man nach atomistisch-stofflicher Art annehmen müßte); sondern nur

dadurch, daß sie als G a n z e s , das heißt als geschlossener Glie-

derbau oder wie man es sonst ausdrücken will, und daß sie mit

e i n e m M a l e auftritt. Also nur dadurch, daß sich eine G r ü n -

d u n g vollzieht. Wie sich Gründungen vollziehen, bleibt ewig ein

Geheimnis, Es ist aber ein Geheimnis, das uns zugleich wohlbekannt

ist, weil wir in ihm weben und leben, — das Geheimnis des

S c h ö p f e r i s c h e n . Nur dem Schöpfertum kommt es zu, „mit

einem Male“ und „als Ganzes“ sein Geschöpf entstehen zu lassen.

Wenn ein menschlicher Geist auftritt, ist die Gründungstat durch

physiologische Erscheinungen verdeckt. Aber daß der Geist / als ein

jeweils schon gegründeter hervortritt, ist offenkundig. Man denke

dabei an einen außerordentlichen oder einen gewöhnlichen Men-

schen: er ist gegründet, ist da und entfaltet sich. Mozart z. B., das

Wunderkind. Aber ist das Wunder nicht ebenso groß, wenn der

„Taugenichts“ geboren wird? Wie groß das Schöpfertum in jedem

Falle der Gründung ist wird klar, wenn man daran denkt, daß statt

dessen nur eine chemische oder physikalische Umformung vorhan-

dener Stoffmengen hätte entstehen können.

Ist das Wunder geschehen, der Geist gegründet, dann beginnt so-

fort die Entfaltung. Entfaltung nach Weise der Vollkommenheit ist:

Vertiefung. Geht die aber ins Unendliche fort? Ist das vielleicht der

vielberufene „Fortschritt“? Die Vertiefung kann einen Punkt errei-

chen, wo die erste Ebene der Gründung gewissermaßen durchbro-

chen wird, in dem Sinne nämlich, daß jene in ihr angelegten ver-

borgenen Elemente, welche den größten Seinsgehalt haben, nun

mehr und mehr hervortreten. Es gleicht einer V e r k l ä r u n g

und hält doch das Gegründete fest. Auf der neuen Ebene kann

selbst wieder eine Entfaltung einsetzen. Das zeigt sich in der Ent-

wicklung jedes Künstlers, jedes großen Menschen. Nehmen wir etwa

als Beispiel den inneren Entwicklungsgang Kantens, so können wir

unterscheiden: (1) Gründung: rationale Welt- und Lebensauffas-

sung; (2) Entfaltung: Entdeckung des Irrationalen, vertiefende, ver-

vollkommnende Herausarbeitung des Apriorismus, des Kritizismus;

(3)

Durchbruch (Verklärung): Entfaltung auf neuer Ebene, die Re-

ligionsphilosophie und Metaphysik des Alters (Lehre vom Radikal-

Bösen und anderes).