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Arbeiterstande hervorgegangenen Kräfte wäre begabter als die ver-

drängten, so steht es doch fest, daß sie in der kurzen Zeit weder

genug Bildung sich aneignen noch sich in der Forschung genügend

üben könnten. Denn es ist gar nicht zu sagen, was der junge For-

scher unter gewöhnlichen Umständen dem bloßen Vorhandensein

der älteren erfahrenen Lehrer (ihrem Urteil, ihrem Beispiel, ihrem

Rate, ihren Anordnungen) verdankt. — Wie in der Wissenschaft, so

auf allen Gebieten. Je schneller der Führerwechsel einsetzt, um so

mehr reißt die Stetigkeit ab, um so mehr geht von dem alten Gute

unwiederbringlich verloren.

Die Meinung, man könne Führertum aus dem Stegreife bilden,

ist ein Irrtum. Was das eine Genie gleichsam freihändig kann

und eine erlesene Handvoll von Helfern dazu (falls Genie und

Helfer in einem Umsturze wirklich da wären), kann eine große

Menge keinesfalls.

Die Meinung ferner, es käme bei einem inneren Umsturz ledig-

lich darauf an, daß das N e u e b e s s e r s e i als das Alte, ist

nur sehr bedingt richtig. Wesentlich ist nämlich noch, welche / Fä-

higkeiten die neuen F ü h r e r haben, ob sie — auch wenn sie an

sich gesünder, frischer und begabter wären als die alten — die

S t e t i g k e i t d e r F o r t l e i t u n g d e r K u l t u r g ü t e r

zu gewährleisten vermögen. Jeder Umsturz nimmt neue Menschen

für neue Aufgaben. Wenn jedoch diese neuen Aufgaben in wesent-

lichen Stücken die alten in sich schließen? Zum Beispiel braucht

auch das kommunistische Wirtschaftsleben technisch hochgebildete,

kaufmännisch durchgebildete Menschen, das Staatsleben juristische

und technische Kenntnisse. Wenn man die Ingenieure, kaufmänni-

schen Leiter, hohen Beamten, wissenschaftlichen Lehrer schnell

davonjagt und gegen Menschen guten Willens auswechselt, muß

dann nicht zwangsläufig ein Herabfallen auf niedrigere Lebens-

stufen die Folge sein? „Kräfte wecken“ und „Kräfte abbrechen“,

das sind die zwei großen Stichworte jedes Bruches und der Span-

nungen, die aus ihm folgen. Nicht umsonst suchen sich Cäsaren

auf die rückkehrenden Vertriebenen zu stützen. Wäre das nur

politische Empfindsamkeit und menschliche Gerechtigkeit? Der

Grund liegt tiefer, er liegt darin: daß das alte Führertum zu seinen

Aufgaben meistens besser erzogen ist und eine Überlieferung fort-