Table of Contents Table of Contents
Previous Page  234 / 427 Next Page
Information
Show Menu
Previous Page 234 / 427 Next Page
Page Background

[266/267/268]

233

Gemeinwesen herübergenommen werden. Besonders an dem höch-

sten, kostbarsten Anstaltsbesitze wie Universitäten, Höheren Schu-

len, Kunstakademien, Kirchenbehörden wird es einem jungen

Pflanzvolke leicht mangeln. Damit ist wenigstens anfangs auch der

Mangel an Menschen höherer, führender / Geistigkeit und Geltung

(Autorität) gegeben. In der Wirtschaft mangelt es desgleichen an

dem, was wir „Kapital höherer Ordnung“ nennen, wodurch der

ungebändigte „amerikanistische“ Zug des Erwerbslebens solcher

Völker erklärlich wird. Das Überwiegen junger, unternehmungs-

lustiger Einwanderer verstärkt diesen Grundzug. — Schon all’ das

allein erklärt es, warum jeder Pflanzstaat in der geistigen Kultur

gegenüber dem Mutterlande lange Zeit Zurückbleiben muß. Es

kommt aber noch ein anderer Umstand hinzu, der das geistige

Leben in seiner inneren Vertiefung zu hindern vermag, das ist die

K u l t u r d u r c h d r i n g u n g s a u f g a b e , vor der fast jeder

Pflanzstaat steht. Denn entweder ist er geradezu über dem Gemein-

wesen der Ureinwohner gelagert, dann ist die Aufgabe der beiden

Kulturen, ein Verhältnis zueinander zu gewinnen, ohnehin scharf

gestellt; oder es sind wenigstens Reste der alten Einwohner und

Kulturen da. Auch dann bleiben diese stillen Einflüsse nicht ohne

Bedeutung. Da wir die Kulturdurchdringung sogleich einer beson-

deren Betrachtung unterziehen, genügt an dieser Stelle der Hinweis

auf ihre Bedeutung für jedes verpflanzte Gemeinwesen.

Je nach der verschiedenen Art, wie die Pflanzung vorgenommen wird, wer-

den sich allerdings die genannten Spannungen verschieden entfalten. Die grie-

chischen Pflanzungen z. B. taten sich als neue S t a d t s t a a t e n auf, die rö-

mischen dagegen mehr als H e e r e s n i e d e r l a s s u n g e n , die sich möglichst

wenig von der Mutterstadt loslösten, sondern durch Heerstraßen mit Rom ver-

bunden blieben (zuerst über ganz Italien, dann über Europa verbreitet). Daher

die ungleich größeren, ja beispiellosen Erfolge der römischen Pflanzungen. Nur

durch sie war die Romanisierung europäischer Völker möglich.

Eine ähnliche, unfruchtbare Spannungen vermindernde Art haben jene Pflan-

zungen, die räumlich unmittelbar an das Mutterland anschließen, wie z. B. die

karolingischen, ottonischen, welfischen Siedlungen nach dem Osten hin, denen

Österreich und Preußen ihr Dasein verdanken. Ihre besondere kriegerische Ein-

richtung als „ M a r k e n “ hat ebenfalls manche der oben genannten kulturellen

Verarmungen vermindert, da / sie mehr Bindungen in sich schlossen als sonst

den bäuerlichen Pflanzungen eigen sind.

Mehr wildgewachsen waren dagegen die neuzeitlichen überseeischen Pflan-

zungen, die daher jahrhundertelang und bis heute kulturarm bleiben mußten

1

.

1

Vgl. unten S. 247 ff.