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in der Eichenheit, so ist der Mensch nur in der Menschheit, so der Einzelne nur

in der Gemeinschaft, das Glied nur im Gliederbau des Ganzen möglich. Nicht

„ F r e i h e i t o d e r D e t e r m i n i e r t h e i t “ — das werden wir später

genauer zu begründen haben — ist die Frage. Das ist ein fehlerhaft gedachter

Gegensatz; vielmehr: „ F r e i h e i t u n d E n t h a l t e n s e i n i n e i n e m

G a n z e n “ , daher Leben im Ganzen und aus dem Ganzen, aber dabei selbst

leben, durch eigene Setzungen, das ist der wahre Gegensatz, ein organischer

Gegensatz, keine mechanische Gegengewalt, ein sich durchdringender, kein sich

vernichtender Gegensatz!

Vornehmlich drei Dinge sind es, die den Schöpfergeist und Füh-

rer machen: Eingebungskraft, Umgliederungsmacht und Selbsthin-

gabe. Was dem Schöpfergeist persönlichst zukommt, ist Eingebungs-

kraft — der Inbegriff aller Begabung; was ihn im ganzheitlichen

Zusammenhange kennzeichnet, ist Umgliederungsmacht, die aber

nicht am Augenblicke hängt, sondern am grundsätzlichen Ausglie-

derungsgehalte, am Ganzheitsgehalte seiner Gedanken und Taten.

Eingebung und Umgliederungsmacht machen aber nur dann den

lichten Schöpfergeist, wenn sie als Opfer, das ist als Selbstdurchdrin-

gung mit dem Allgemeinen, mit dem Ganzen sich darstellen. Der

selbstische und ganzheitswidrige Gebrauch macht den U n h o l d .

An der Spitze der Eigenschaften des großen Mannes steht die

Fähigkeit, Eingebungen zu empfangen, aufschließende Eingebungen,

die mit einem Glanze aus unbekannten Sphären umgeben sind.

(Allerdings genügt die Fähigkeit allein nicht, wie das „verlotterte

Genie" beweist, sie muß auch ausgenützt werden.) Eingebung ist

das allein Ursprüngliche, das Urwirkliche in Geist und Leben. Dar-

um ist der Schöpfergeist der Herrscher der Welt. — Weil der Zu-

stand der Eingebung ein / schauender, also unvermittelter ist,

darum kennzeichnet U n m i t t e l b a r k e i t überall den schöp-

ferischen Geist. Nicht nur der große Heilige, Künstler, Denker,

Erfinder, auch der große Staatsmann, Heerführer, Ständeführer

leuchtet durch Unmittelbarkeit seines Wesens hervor. Das nennt

man dann tadelnd „Naivität“, „Weltfremdheit“. Aber nur der

Große vermag sie aufzubringen. Denn nur mit der Unmittelbarkeit

ist das Überspringen des Nebensächlichen, Vermittelnden notwen-

dig verbunden, gleichwie die Sage von Thaies berichtet, der nach

den Sternen schaut und dabei in den Brunnen fällt — weswegen

ihn eine thrakische Magd verspottet. Ergreifend ist, was man von

Bruckner erzählt, der, in hohen Jahren vom Kaiser ausgezeichnet,