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[323/324/325]

auch sie überhöht die Wahrheit der früheren Setzungen in ihrer Weise. —

(Schon hier tritt uns die grundlegende Tatsache entgegen, daß es große Männer

im Sinne / des Vollkommenen nicht nur, sondern auch im Sinne des Unvoll-

kommenen gibt: Der lichte Schöpfergeist und der dunkle Dämon. Diese Urtat-

sache, auf die wir später noch stoßen werden, kann aber von Hegels Lehre des

dialektischen Fortganges nicht aufgenommen werden.)

Wenn man dagegen sagt, bei Hegel sei die P e r s ö n l i c h k e i t geopfert,

ihm sei insbesondere der große Mann durch die „ L i s t d e r V e r n u n f t “

nur eine Puppe des Weltgeistes, dann ist allerdings zu erwidern, daß eine

Puppe Gottes zu sein das Höchste sei, was der Mensch leisten, die höchste

Aufgabe, die er erfüllen könne. Ist das Wirken des Führers gliedhaft, dann ge-

hört Hingabe, Aufgehen in der Sache dazu. Das „Le roi est mort, vive le roi“

ist eine Grundtatsache aller Geschichte. Dagegen liegt in der Lehre von der

„List der Vernunft" die Gefahr einer M e c h a n i s i e r u n g des geistigen Ge-

schehens, sofern nämlich der Führer dem Umschlagen des dialektischen Fort-

ganges zum Opfer fiele. Diese naturalistische und zugleich metaphysische Ein-

deutigkeit ist ein Widerspruch in sich. Wo bleibt die geschichtliche Freiheit des

Geistes, der gerade nach Hegels tiefer Lehre durch und durch frei ist?

Die meisten anderen Lehren vom großen Manne, so jene P l a -

t o n s , F i c h t e s , C a r l y l e s bieten weniger Ausbeute als

jene Hegels. Sie sind von dem großen Schöpfergeiste als dem Er-

schauer der Ideen gleichsam geblendet und spüren seiner geschicht-

lichen Stellung zum Allgemeinen nicht nach. Bei aller Richtigkeit

des Grundsätzlichen ist damit nur wenig anzufangen. Denn die Ge-

schichtsschreibung würde, folgerichtig zu Ende denkend, auf die

bloße Lebensbeschreibung großer Männer abgedrängt. Will man

aber diesen gerecht werden, dann muß man sie als gliedhafte ver-

stehen. Für sich allein war noch nie jemand ein großer Mann. Der

Selbstheit allein gelang auch noch nie die große Ideenschau. Gewiß

ist es berechtigt zu sagen, in der Individualität liege der Schlüssel

aller Geschichte, aber den Sinn, die Stellung der Individualität im

Ganzen zu erklären, das ist die Aufgabe. Auch haben, wie sich ergab,

nicht nur die Menschen Individualität, auch die Gesamtheiten, die

Staaten, Kirchen usw. haben sie. Das Verhältnis beider bestimmt

folgender Vorrangsatz:

/

I n d i v i d u a l i t ä t d e r G e m e i n s c h a f t u n d d e r A n -

s t a l t i s t v o r I n d i v i d u a l i t ä t d e s E i n z e l n e n .

Geltung der Individualität darf auch nicht in prometheische Vermessenheit

ausarten. Die Einzelheit als in sich selbst stehend, die Freiheit als Willkür zu

fassen, das zu Ende gedacht ist Wahnsinn oder Kindlichkeit, denn wie die Eiche