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sagen, „hervorgehoben“ wird durch „Merkmale“; niemals aber

dürfte man sagen: „abgesondert“ wird durch „Merkmale“. Merk-

male werden nie „abgesondert“, sondern werden als Elemente des

Ausgliederungsgesetzes aufgefaßt, als gliederbauliche Äußerungen.

Sie sind nicht für sich allein zu denkende / „Beschaffenheiten“,

„Eigenschaften“, sondern nur Anzeiger einer Tätigkeit, Wahr-

zeichen, Indizes einer Setzung im Gefüge, einer Setzung in ihrer

Gliedhaftigkeit, in ihrer Bedeutung, daher für sich selbst überhaupt

niemals faßbar. Darum ist es auch verfehlt, von einer „Anzahl“ der

Merkmale, von einem Mehr oder Weniger überhaupt zu sprechen.

Ferner darf man dies auch darum nicht, weil durch die jeweilige

Hervorhebung der bestimmenden Ausgliederungstat alle übrigen

Eigenschaften (Merkmale) in S c h w e b e gehalten werden. Auch

dieses „in Schwebe Halten“ geschieht auf allen Stufen, aber aller-

dings in arteigener Weise, ebenso wie es nur die e i n e Begriffs-

bildung ist, die Konkretallgemeines denkt, aber mit verschiedenem

Stufenwerte. Das Enthaltensein des Niederen im Höheren (Allge-

meinbegriff) muß ebenso aufgezeigt werden wie das Enthaltensein

des Höheren im Niederen (Gliedhaftigkeit des Einzelnen)

1

. Dies läßt

sich an Beispielen klar zeigen.

Den A l l g e m e i n b e g r i f f „Staat“ denkt man nicht, indem man von

individuellen Eigenschaften der Staaten, der Organe, der Bürger „absieht“ (da

hätte man viel zu tun); sondern indem man die bestimmende Ausgliederungstat,

das Bildungsgesetz des Staates denkt (wie es sich z. B. im Bau seiner Glieder:

Gesetzgebung—Verwaltung; König—Beamte—Bürger ausspricht, nämlich als be-

sondere „Organisation“, „Höchststand“ und so fort), die anderen Eigenschaften

aber in Schwebe hält. Dadurch sind sowohl die Unterarten „ständischer Staat“,

„demokratischer Staat“, wie die Einzelheiten „Deutsches Reich Ottos I.“, „Athen

des Demosthenes“ offengehalten, der Anlage nach mitenthalten, aber allerdings

nicht ausgesprochen. Warum? Weil die höhere Ganzheit „Staat“ (allgemein),

nicht eine geschichtlich bestimmte Unterstufe „Athen des Demosthenes“ (einzeln)

gemeint war! G e h e i c h a b e r z u m A t h e n d e s D e m o s t h e n e s

ü b e r , s o s e t z e i c h d e s s e n b e s t i m m e n d e A u s g l i e d e r u n g s -

m e r k m a l e u n d / h a l t e d a f ü r j e n e d e s a l l g e m e i n s t e n B e -

g r i f f e s „ S t a a t ü b e r h a u p t “ i n S c h w e b e . Es sind also nicht so-

wohl neue Merkmale „hinzugekommen“ als vielmehr hervorgetreten — wofür

1

Es gibt daher auch keinen bloß „ k l a s s i f i k a t o r i s c h e n B e g r i f f “ ,

von dem die neukantische Logik redet. Die Einteilung ist nur das Ergebnis des

Ausgliederungsganges. — Unrichtig ist auch die Windelband-Rickertische Ansicht,

daß die Klassifikation ein nicht vollendeter naturgesetzlicher Allgemeinbegriff

sei. Wilhelm Windelband: Präludien (1883), Bd 2, 7. und 8. Aufl., Tübingen

1921, S. 146.

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