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Wenn z. B. Max M ü l l e r den Fetischismus als A b f a l l a u s e i n e r h ö -

h e r e n K u l t u r erklärte, so konnte A. Lang (sagt Gruppe

1

) mit Recht ein-

wenden, daß diese nur bei hochentwickelten Völkern beobachtbar sei, für primi-

tive Völker also unterstellt werden müsse

2

.

i

Dagegen ergab sich bei unserer Ansicht der Dinge kein Verfall aus einer hoch-

entwickelten Kultur in eine primitive; vielmehr ist es der Übergang zu einem

anderen Geisteszustand, wovon unsere Erklärung ausgeht. Dadurch sahen wir

die religiöse Entfaltung von der Urmystik zur Magie, von einem Urmonotheis-

mus zum Polytheismus und Polydämonismus getrieben. Indem von der mysti-

schen Grundhaltung in eine magische übergegangen wird, muß sich das Bild der

Religion grundsätzlich ändern. Erst wenn i n n e r h a l b der magischen Geistes-

haltung nicht mehr das Verhältnis der Menschen zu göttlichen Teilmächten und

den Verstorbenen, den Seelen der Toten, sondern das Verhältnis der Menschen

zu Gestirnen und großen Naturmächten, schließlich zu einzelnen, meist leblosen

Gegenständen in den Vordergrund tritt und diese daher im Mittelpunkt magi-

scher Anschauungen und Kräfte stehen — erst dann ist der „Fetischismus“ da!

Dieser Verfall entsteht also aus der Verwilderung der Magie. Ein Aufschwung

endlich entstünde durch Rückkehr zur metaphysischen und mystischen Geistes-

haltung.

Dagegen muß die alte patristische Lehre von der E r z i e h u n g d e s M e n -

s c h e n g e s c h l e c h t e s — durch Lessing erneuert — durchaus nicht evolu-

tionistisch gefaßt werden. Denn alles Entartete, Gefallene bedarf einer Wieder-

herstellung. Nach der alten patristischen Ansicht geschieht diese nach Art der Er-

ziehung, indem Gott sich dem Menschen s t u f e n w e i s e offenbart. Wieder-

herstellung, nicht Entwicklung aus dem Niederen zum Höheren, wäre dann die

Signatur der Geschichte.

VI. Der Verfall des religiösen Sinnes

Die dritte und letzte Stufe der Entekstatisierung ist endlich mit

dem H e r v o r t r e t e n d e s R e f l e k t i e r t e n , R a t i o n a -

l e n , s c h l i e ß l i c h d e s S e n s u e l l e n , M a t e r i e l l e n

gegeben. Dafür haben wir aus ganz alter Zeit keine deutlichen Bei-

spiele, es wäre denn, daß man in der altchinesischen und altägypti-

schen Zeit solche erkennen möchte. Dagegen zeigen uns das ausge-

hende griechische und römische Altertum mit seinen Sophisten,

Skeptikern und Materialisten, früher schon die altindische mit ähn-

lichen Erscheinungen, weiters die Zeit vom ausgehenden Mittelalter

und namentlich von der Aufklärung bis zur Gegenwart Beispiele

dafür. Die Merkzeichen solcher Zeiten sind eine entgötterte, mate-

rialistisch-mechanistische Naturauffassung auf der einen Seite, eine

1

Otto Gruppe: Geschichte der klassischen Mythologie und Religionsgeschichte,

Leipzig 1921, S. 184 und 186.

2

A(ndrew) Lang: Custom and Mythe, S. 212 ff.