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[58]

Bruder, der da wäre ein reicher Mann und ich ein armer, er weise

und ich ein Tor“

1

.

Ein verwandtes Bild entrollt uns ein Vorgänger Eckeharts, der

heilige B o n a v e n t u r a (

1275). Er beschreibt die höchste Stufe

der Beschauung als das „geistige und mystische Verzücktsein, in

welchem dem Geist die Ruhe zuteil wird, indem der Geist durch

Verzückung gänzlich in Gott übergeht“

2

.

Er nennt Gott den „überverborgenen, überlichten und übererhabensten Gipfel

der mystischen Einsprechungen, wo die neuen und unbedingten, unveränderlichen

und unwandelbaren Mysterien der Theologie sich auftun, nach dem über-

lichten, verborgenen Dunkel des heimlich lehrenden Schweigens, welches im

tiefsten Dunkel das Überoffenbarste, nach dem glanzvollen Dunkel, in welchem

alles entgegenleuchtet und mit dem Schimmer des Unsichtbaren, Überseligen

die unsichtbaren Erkenntniskräfte überfüllte"

3

. Bonaventura ermahnt den mysti-

schen Schüler: „...werde (insofern es möglich ist) deiner selbst vergessen,

zurückgegeben der Einheit, dem, der da ist über alle Wesenheit und Wissen-

schaft — nämlich indem du aus dir selbst und allen Dingen mittelst unbemeß-

barer und unbedingter Verzückung des Geistes ausgehest und alles übertragend

in den überwesentlichen Strahl der göttlichen Finsternis, von allen entbunden,

dich aufschwingst. Fragst du aber, wie solches geschehen möge: so frage die

Gnade, nicht die Lehre; die Sehnsucht, nicht den Verstand; den Seufzer des

Gebetes, nicht den Schweiß der Schule; den Bräutigam, nicht den Lehrmeister;

Gott, nicht den Menschen; das Dunkel, nicht die Klarheit; nicht das Licht, son-

dern das Feuer, welches ganz entflammt und in Gott durch die Salbung der

Entzückung und des brennendsten Affektes führt“

4

.

Eine Schilderung von mehr bildhafter Art gibt M e c h t h i l d

v o n M a g d e b u r g :

„Zuweilen zieht er (Gott) mich einen andern Weg,

Ohne Brücke und ohne Steg,

Wo ich ihm folgen muß

Bloß und barfuß,

Wer kann die Menschheit so sanft bezwingen?

Wer kann die Seele so sanft entrücken?

Wer kann die Sinne so hocherleuchten als Gott, der sie geschaffen hat?

Der tut an uns wunderbare Tat“

5

.

/

1

Franz Pfeiffer: Meister Eckhart, Leipzig 1857, S. 64, Zeile 24 ff.

2

Der heilige Bonaventura: Der Weg des Geistes zu Gott, übersetzt aus dem

Lateinischen, Münster 1836, S. 80.

3

Der heilige Bonaventura: Der Weg des Geistes zu Gott, S. 82.

4

Der heilige Bonaventura: Der Weg des Geistes zu Gott, S. 83.

5

Mechthild von Magdeburg: Das fließende Licht der Gottheit, Bd 6, 16. Aus-

gabe, Kempten 1911, S. 190.