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Verbindung des Ahnendienstes mit den anderen Götterdiensten

klar macht und dem europäischen Verständnis näher bringt

1

.

Die alten Könige waren besorgt, daß die Sitte (der Opfer) auch allgemein

verstanden würde; darum spendeten sie Gott auf dem Anger (auf dem runden

Himmelsaltar), um dadurch dem Himmel seine Ehre zu geben. Sie opferten dem

Geist des Bodens in der Hauptstadt (auf dem viereckigen Erdaltar), um den

Segen der Erde zu erlangen. Sie brachten das große Opfer im Ahnentempel dar,

um die Menschenliebe zu begründen. Sie besuchten die Berge und Flüsse, um mit

Geistern und Göttern in Verbindung zu treten. Sie opferten den fünf Geistern

des Hauses, um den Arbeiten eine feste Grundlage zu geben. Zu diesem Zwecke

waren der Ahnenpriester und der Gebetspriester im Ahnentempel, die drei

höchsten Würdenträger bei Hofe, die drei Klassen von Alten in der Akademie.

Beim Opfer gingen vor dem König her die Beschwörer und hinter ihm die

Schreiber. Die Orakelpriester für die Schildkröte und Schafgarbe, Musiker und

Gehilfen waren rechts und links, der König war in der Mitte. Er hielt sich frei

von allen Nebengedanken, um höchste Andacht zu wahren.

Wenn die Sitte beim Ahnenopfer beobachtet wird, so walten alle Götter ihres

Amtes. Wenn die Sitte auf dem Landesaltar beobachtet wird, so wird die Fülle

aller Güter erreichbar. Wenn die Sitte beim Opfer im Ahnentempel / beobachtet

wird, so kommen Gesetze und Regeln in Ordnung. Darum sind die Opfer auf

dem Anger, auf dem Landesaltar, im Ahnentempel, für die Geister der Berge

und Flüsse, für die fünf Hausgeister das beste Mittel zur Pflege der Gerechtigkeit

und das kostbarste Kleinod der Sitte.

Die Sitte wurzelt im Großen Einen. Dies teilt sich in Himmel und Erde; es

beginnt seinen Kreislauf und erscheint als das Kräftepaar von Schattigem und

Liditem (Yin und Yang); es wandelt sich und zeigt sich als die vier Jahres-

zeiten; es tritt auseinander und erscheint als Geister und Götter. Seine Offen-

barung heißt Bestimmung. Sein Wirken ist im Himmel.

Die Sitte hat ihre Wurzel stets im Himmel; bewegt, gelangt sie auf die Erde.

Welche ungeheuren g e s e l l s c h a f t l i c h e n u n d s t a a t -

l i c h e n Folgen von der Ahnenverehrung ausgehen, stellte beson-

ders F u s t e l d e C o u l a n g e s i n seinem bekannten Werk „Der

antike Staat" dar, und zog damit die religiöse, auf dem Ahnenkult

beruhende Natur der Sippen- und Stammeszusammenhänge, sowie

der Eheformen erst ganz ans Licht

2

. Er übertrieb keineswegs, wie

man wohl meinte — eigentlich lehnte die ganze klassische Philolo-

gie sein Werk ab —, er hielt sich im Gegenteil mit Genauigkeit

überall an die Quellen. Jedoch stellt er das antike Staatsleben

allerdings insofern einseitig dar, als es in Wahrheit neben der von

1

Li-Gi, Das Buch der Sitte des älteren und jüngeren Dai, deutsch von Richard

Wilhelm, Teil 4, Kapitel 3: Li Yun, Die Entwicklung der Sitte, Jena 1930, S. 39 f.

(im Original: Siau Dai Li-Gi, Bd 4, Kapitel 9.)

2

Fustel de Coulanges: Der antike Staat, aus dem Französischen übersetzt von

Paul Weiß nach der 7. französischen Auflage von 1879, Berlin und Leipzig 1907.