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Darum können Wesenserkenntnis und Werterkenntnis auch nicht

jene letzte i n n e r e Gegensätzlichkeit haben, welche ihr die neu-

kantische Schule zuschreibt. Beide streben im letzten Grunde zur

Einheit und sind als verschieden nur möglich, weil sie Abzweigun-

gen eines und desselben Stammes sind.

/

Ob die Einheit von Wesens- und Werterkenntnis überall erreich-

bar ist? Für die Gesellschaftswissenschaft darf es bejaht werden. Hier

wird diese Einheit auch in der Tat überall erreicht, wo die Erkennt-

nis tief genug gedrungen ist. Wenn man zum Beispiel weiß, was das

Geld seinem Wesen nach sei, dann weiß man auch, welches Geld

den S a c h e r f o r d e r n i s s e n d e s w i r t s c h a f t l i c h e n

G l i e d e r b a u e s genügt, welches das vollkommene Glied sei.

Das aus subjektiven Zwecken Gesollte ist dabei allerdings von dem

im Wesen der Sache Liegenden streng zu trennen. Die aus dem We-

sen des Geldes (der objektiv-volkswirtschaftlichen Geldaufgabe) fol-

gende Vollkommenheit (Gesolltheit) des Geldes kann manchen

Wirtschaftern von ihren beschränkten Zwecken her, also subjektiv,

auch unvollkommen erscheinen.

Für das Verhältnis von Recht und Staat — um noch auf dieses

Beispiel einzugehen — folgt daraus, daß beide überhaupt nicht im

Verhältnis von Sollen und Sein, noch von Idealität und Realität

stehen. Gleichwie auch Sittlichkeit und Recht, obwohl beide als

„Normensysteme“ sich darstellen, voneinander verschieden sind,

aber nur im Sinne verschiedener normativer Systeme — also auch

Recht und Staat. Recht und Staat können als soziale Erscheinungen

nicht auf anderen Ebenen liegen, sie brauchen aber darum, weil sie

dies nicht können, nicht gleich einerlei zu sein, sondern haben ihre

Unterschiede als Teilganze der Gesellschaft. Aber eben darum, daß

sie Teilganze der Gesellschaft sind, teilen sie beide deren eigenste,

einheitliche Natur.

In der Naturwissenschaft, wo uns das Wesen der Dinge innerlich

fremd ist, von uns nicht verstanden wird

1

und nur durch mittel-

bare Maßstäbe (Ständigkeit der Dinge in der Erfahrung, äußere

Abfolge, Ursächlichkeit) die Dinge überhaupt abgegrenzt werden

können, steht es jedenfalls anders. Wer könnte zum Beispiel sagen,

ob die Abplattung der Erde zu ihrem Wesen gehöre, also ob sie ein

1

Siehe oben S. 12 ff.