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D i e Phänomenologie wieder gibt dem Gegensatz von Sein und Sollen, von

Naturgesetz und Norm, die Wendung eines Gegensatzes von N a t u r g e s e t z u n d

I d e a l gesetz, von r e a l e r u n d i d e a l e r Wissenschaft.

Ganz anders liegen die Dinge, wenn sie nicht vom verfahren-

mäßigen (methodologischen), sondern vom ontologischen Stand-

punkte aus betrachtet werden. Dann liegt es dem unbefangenen

Bewußtsein nahe, anzunehmen — und eine eindringliche Prüfung

wird es bestätigen —, daß die Vollkommenheit (wovon Wahrheit

und Falschheit des subjektiven Urteils zu trennen sind) in den Din-

gen selbst liegt, daß Vollkommenheit zum Realen gehört. Oder,

um es in mehr moderner Weise auszudrücken: daß Wesen und Wert

(das Sollen, die Geltung, die Norm) im Tiefsten durcheinander

bestimmt sind. (Die inneren Unterschiede von Vollkommenheit,

Güte, Sollen, Wert, Gelten können hier übergangen werden.)

Die Alten haben das gewußt, die Scholastiker haben die Frage in

der sogenannten Transzendentalienlehre vertieft behandelt

1

, unsere

ärmliche Zeit mit ihrem Kultus der t o t e n Natur — Ursächlich-

keit ist ja Totheit — und ihrem Individualismus — Individualis-

mus ist ja notwendig Wechselwirkung der Individuen, ist wieder

Ursächlichkeit — hat es vergessen. Hören wir darüber Aristoteles.

In seiner Logik heißt es: „ M a n d e f i n i e r t d e n G e g e n -

s t a n d n i c h t s c h l e c h t h i n , s o n d e r n n a c h s e i -

n e m g u t e n u n d v o l l e n d e t e n Z u s t a n d e . . . Ein

Redner ist, wer sich auf das zum Überreden Geeignete versteht;

ein Dieb, wer heimliche Wege zu nehmen weiß. Die Begriffsbestim-

mungen gehen auf den guten Redner, auf den geschickten D i e b . . .

D a s B e s t e a n j e d e m G e g e n s t a n d e i s t i m m e r

a u c h d a s , w a s a m m e i s t e n s e i n W e s e n a u s -

m a c h t.“

2

Ferner: „Was jedem Dauer gibt, ist das, was an ihm

gut ist.“

3

„Eines jeden Wert / liegt zumeist in seinem Wesen“

4

,

1

Vgl. darüber: Otto Willmann: Philosophische Propädeutik, 3 Bde, Bd 3:

Historische Einführung in die Metaphysik, Freiburg i. B. 1914, S. 51. Emil

Arleth: Die metaphysischen Grundlagen der aristotelischen Ethik, Prag 1913,

S. 16 ff.

2

Aristoteles, Topica VI, 12 fin.:

„ένίοτε δ’ όρίζονται ού τό πράγμα, άλλα το πράγμα

εϋ εχον τετελεομένον κτλ.

3

Aristoteles, Politik II,

2:

τό έκαστον άγαθόν έκαστον σώζει.

4

Aristoteles, Topica VI, 12:

έκαστου γάρ το βελτιστον έν τη ούσία μάλιστα

.