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delband unterschied zwischen „nomothetischer“ oder genereller und

„idiographischer“ oder individueller Begriffsbildung. Die erstere, so

sagt er, erkennt das Allgemeine (Generelle) in der Form des Natur-

gesetzes (vυόφοζ die letztere erkennt das Einmalige in der geschicht-

lich bestimmten Gestalt

1

. Zum Beispiel würde die Biologie, wenn sie

als Naturwissenschaft (nicht vitalistisch) aufgefaßt wird, die che-

misch-physikalischen Gesetze des menschlichen Organismus erken-

nen; die Geschichte dagegen die bestimmten, einmaligen Menschen,

z. B. Bismarck. Nicht das Typische an Bismarck (ein Mensch, der den

Gesetzen der Physiologie unterliegt), sondern das geschichtlich Ein-

malige, der Staatsführer Bismarck, der Gründer des Deutschen Rei-

ches, ist Gegenstand der Geschichte.

Wir können uns dieser Bestimmung des Geschichtlichen als des

Einmaligen, (das nach Windelband und Rickert allerdings nicht rein

für sich dasteht, sondern auf die „Kulturwerte“, z. B. Staat, Recht,

„bezogen“ ist), nicht schlechthin anschließen. Entscheidend ist uns:

daß die Einmaligkeit des Geschehens nichts Ursprüngliches ist, son-

dern sich selbst erst aus Sinn und Freiheit des Geschehens ableitet.

E i n m a l i g k e i t i s t k e i n u r s p r ü n g l i c h e s , s o n d e r n

e i n a b g e l e i t e t e s M e r k m a l g e s c h i c h t l i c h e n G e -

s c h e h e n s .

Schon im Sinnvollen liegt die Einmaligkeit beschlossen. Eine

Schlußkette muß aus bestimmten, nämlich konkret-einmaligen Vor-

dersätzen abgeleitet sein. Jede andere Schlußkette muß aus anderen

Vordersätzen abgeleitet sein. Zwei Schlußketten, die vollkommen

gleich wären, gibt es im Geiste nicht, aber gäbe es sie selbst, sie

wären nur Wiederholungen, nicht wesentliches Geschehen im Geiste.

— Ferner die Freiheit. Indem das Geschehen auch anders sich gestal-

ten kann — wenn auch innerhalb enger Grenzen, denn Freiheit ist

niemals Willkür — wird selbst dann nicht überall genau das gleiche

Geschehen verwirklicht werden, wenn die Voraussetzungen dafür

dieselben wären. Aus Freiheit also folgt die Einmaligkeit; ebenso

wie sie aus dem Sinnvollen folgt.

1

Wilhelm Windelband: Präludien. Sammlung von Reden zur Einleitung in die

Philosophie (1883), 7. und 8. Aufl., Tübingen 1921, S. 145. Die Psychologie

wird von Windelband ausdrücklich zu den Naturwissenschaften gezählt.

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