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beim Spaziergange im Gefängnishof, und stets hatte Spann — ganz

seinem Wesen gemäß — ein frohes aufmunterndes Wort bereit.

Mit der Haftentlassung begann die erste Verbannung Spanns. Aus

dem Lehramte entlassen, zog er sich bald in die Einsamkeit seines

burgenländischen Landgutes, das sogenannte Werkschloß, zurück.

Hier blieb er genau wie früher keine Stunde müßig; zur wissenschaft-

lichen Arbeit traten nun noch mehrere Stunden Tätigkeit im großen

Garten. Alles Gemüse und Obst für den Haushalt pflanzte bzw.

erntete er selbst — und versorgte im Bedarfsfall auch seine Freunde.

Ein impulsives Telegramm lautete da einmal an mich: „Herbstwind

rüttelt Obstbäume, komme sofort!“

Wie bereits erwähnt, fallen die Vorarbeiten für die großen Werke,

welche nach dem Zweiten Weltkriege erschienen, in diese Zeit der

Verbannung.

Ein großer äußerer Druck lag damals natürlich auf Spann und

seinen engeren Schülern. Man hatte z. B. verboten, daß wir ein-

ander träfen, woran wir uns jedoch — mit dem Verständnis der

zuständigen Bürgermeister unserer kleinen Wohnorte (Spann zu

Mariasdorf im Burgenland, ich zu Hadersfeld in Niederösterreich),

die nicht für andere unsere Wächter sein wollten — nicht hielten.

Zu all diesen Umständen kam, daß Spanns älterer Sohn Adalbert

in Rußland fiel. Trotz alledem habe ich ihn zu den Zeiten nie traurig

oder niedergeschlagen gesehen. Immer war etwas von mozartischer

Heiterkeit in ihm.

Bei all seiner großen theoretischen und wissenschaftlich-philoso-

phischen Veranlagung war Spann kein welt- und wirklichkeitsfremder

Mensch, sondern von wachem Gespür für die Ströme der Zeit. So

bewies er Freunden fortan mit immer neuen — geistesgeschichtlichen,

wirtschaftlichen, strategischen und statistischen (etwa wenn einmal

ein bestimmter Hundertsatz der männlichen Bewohner einer Bevöl-

kerung zum Heer eingezogen sei, überschreite dies die Möglichkeit

des militärischen Sieges) — Argumenten, daß das nationalsoziali-

stische Regime zusammenbrechen müsse. Dies war schon früh seine

unerschütterliche Überzeugung, nur war er, seiner raschen und geistig

beweglichen Gesamthaltung gemäß, diesbezüglich viel kurzfristiger —

und optimistischer — eingestellt als die mit Verzögerungen behaftete

geschichtliche Wirklichkeit.