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n e b e n e i n a n d e r / verlaufender Entwicklungsbahnen vorliegt. . . . Ihre [der großen

Hirtenvölker] Mischung mit den totemistisch-vaterrechtlidien und den mutterrechtlichen

Ackerbaukulturen erhob diese letzteren dann allmählich zur Hochkultur…“

1

2 .

B e u r t e i l u n g

Überblickt man diese Lehre, so erfüllt es mit Bewunderung, welch

großes Gemälde der fast grenzenlos verworrenen Kulturen der

Naturvölker sie zu entwerfen imstande ist. Wie anders ist der Weg, der

hier eingeschlagen wurde, im Vergleiche zu jenem des Darwinismus und

der geradlinigen Entwicklungsmechanik von früher!

Allerdings wird man sich nicht der Meinung hingeben dürfen, daß auf

den ersten Wurf schon alles gelungen sei. Vielmehr ist noch abzuwarten,

was die künftige Einzelforschung von der bisherigen Einteilung der

Kulturkreise bestätigen wird. Man muß aber zwischen dem Grundsatze

des geschichtlich-gesellschaftlichen V e r f a h r e n s , der dauern wird,

und den tatsächlichen Ergebnissen bei seiner Anwendung unterscheiden.

(Sind z. B. die Urmenschen wirklich Zwerge?) Ferner bin ich der

Meinung, daß Schmidt und Koppers im kommenden zweiten Bande ihres

Hauptwerkes noch manche Eierschalen des alten marxistischen und

darwinistischen Verfahrens abzuwerfen haben werden. Wenn sich z. B.

S c h m i d t an den Naturalisten A u g u s t e C o m t e anschließt

2

;

wenn er den Vorrang der Familie vor den übrigen Teilganzen der

Gesellschaft verkündet

3

, so kommt er wider Willen zu einem

individualistisch-naturrechtlichen Standpunkte; und wenn er die

Nomaden als „Macher der Weltgeschichte“ erklärt

4

, wenn er das

Mutterrecht eine bestimmte Wirtschaftsorganisation zur G r u n d l a g e

haben läßt, so kommt er auf einen Standpunkt, welcher die Wirtschaft vor

die Familie stellt. Soll endlich die Entwicklungslehre ganz überwunden

werden, dann müssen Kulturverlust und Entartung überall aufgezeigt,

muß auch das Religiöse als Einteilungsgrund der Kulturkreise gegenüber

den Heiratsordnungen und Wirtschaftsordnungen mehr in den

Vordergrund gestellt werden, als es jetzt von Schmidt geschieht.

1

Schmidt undKoppers: Völker und Kulturen, ...

S.223 f., von mir gesperrt.

2

Schmidt und Koppers: Völker und Kulturen, ...

S.146 f.

3

Schmidt und Koppers: Völker und Kulturen, ...

S.147 ff.

4

Schmidt und Koppers: Völker und Kulturen, . . .

S.224 und 529.