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alle Setzungsschritte hindurch die I d e n t i t ä t des sich Setzenden

(der absoluten Idee, des Weltgeistes) wahren. Hegel sagt in der

„Enzyklopädie“, § 81: „Das d i a l e k t i s c h e Moment ist das

eigene Sich-Aufheben solcher endlicher Bestimmungen und ihr Über-

gehen in ihre entgegengesetzten. ... Die Dialektik wird gewöhn-

lich als eine äußere Kunst betrachtet, welche durch Willkür eine Ver-

wirrung in bestimmten Begriffen und einen bloßen S c h e i n v o n

W i d e r s p r ü c h e n in ihnen hervorbringt. ... Oft ist die Dia-

lektik auch weiter nichts als ein subjektives Schaukelsystem von hin-

und hergehendem Raisonnement. — In ihrer eigentümlichen Be-

stimmtheit ist die Dialektik vielmehr die eigene, wahrhafte Natur

der Verstandesbestimmungen, der Dinge und des Endlichen über-

haupt. ... Alles Endliche ist dies, sich selbst aufzuheben. Das Dia-

lektische macht daher die bewegende Seele des wissenschaftlichen

Fortgehens aus, und ist das Prinzip, wodurch allein i m m a n e n -

t e r Z u s a m m e n h a n g u n d N o t w e n d i g k e i t in den

Inhalt der Wissenschaft kommt, so wie in ihm überhaupt die wahr-

hafte, nicht äußerliche Erhebung über das Endliche liegt.“ — Hier-

mit ist in einer vorher nirgends verfolgten Ausschließlichkeit die

dialektische Seinsbestimmung zum grundlegenden V e r f a h r e n

der Philosophie gemacht. In der Religionsphilosophie

1

sagt Hegel

vom dialektischen Fortgange: „Dies ist der Rhythmus, das reine,

ewige Leben des Geistes selbst, und hätte er diese Bewegung nicht,

er wäre das Tote. Der Geist ist, sich zum Gegenstande zu haben... .“

Und in der „Phänomenologie“

2

heißt es: „An s i c h ist jenes Le-

ben [Gottes] wohl die ungetrübte Gleichheit und Einheit mit sich

selbst. ... Aber dieses An s i c h ist das abstrakte Allgemeine, in

welchem von seiner Natur, für s i c h z u s e i n und damit über-

haupt von der Selbstbewegung der Form, abgesehen wird.“

Wir halten uns im folgenden vornehmlich an die Dialektik in

der von Hegel ausgebildeten Gestalt und übergehen aus diesem

Grunde auch das gesamte neuere Schrifttum.

1

Georg Wilhelm Friedrich Hegel: Vorlesungen über die Philosophie der Religion,

Bd 1, in: Sämtliche Werke, Jubiläumsausgabe in 20 Bänden, im Faksimilever-

fahren herausgegeben von Hermann Glockner, Bd 15, Stuttgart 1928, S. 76

(XI, 60).

2

Georg Wilhelm Friedrich Hegel: Phänomenologie des Geistes, in: Sämtliche

Werke, Bd 2, Stuttgart 1932, S. 22 (II, 14).