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Das alles ist unstreitig richtig. Aber wer sieht nicht, daß es nur in

einem bestimmten Sinne zu verstehen sei? Denn nähme man den

Gedanken, daß wir von Gott nichts auszusagen vermögen, buch-

stäblich, so folgt daraus etwas, was seine Urheber am allerwenigsten

wollten. Nämlich: daß auch nicht einmal der Begriff Gottes gefaßt

werden könnte! Hätte es dabei sein Bewenden, daß wir von Gott

nichts aussagen können, so könnte von Gott überhaupt nicht geredet

werden. Gott könnte nicht nur nicht bewiesen werden, sondern es

könnte in keinem Sinne ein Wissen, ein Begriff von ihm entstehen.

Man sage nicht, „Analogie“ von ihm sei möglich. Denn die „Analo-

gien“ im Endlichen können doch begriffsgemäß immer nur für ein

Endliches hinreichen und nur ein sehr großes oder phantastisches

Endliches erzeugen. Und selbst die höchsten, allgemeinsten Gattun-

gen oder Kategorien — in der aristotelischen Logik waren es Quan-

tität, Qualität, Substanz usw. — können nicht auf das Unbedingte

übertragen werden, sofern ihre Natur eben die ist, nur Endliches,

Weltliches, Bedingtes zu entfalten. Von diesem Gedankengange aus

gibt es darum, das wiederholen wir, nicht / nur keinen Gottes-

beweis, es gibt nicht einmal einen Gottesbegriff, es gibt keine

Möglichkeit, auch nur das Wort, die Idee Gottes zu erzeugen. Denn

wie kommt das Bedingte zu einem Begriffe, der seinen Boden ver-

läßt, zu einem Begriffe, den es nicht zu erschwingen vermag? Der

B e g r i f f G o t t e s i s t a u f d e m B o d e n d e s r e i n

E n d l i c h e n e b e n s o u n m ö g l i c h , w i e e s u n m ö g -

l i c h i s t , i m l u f t l e e r e n R a u m e z u a t m e n o d e r

s e i n e n e i g e n e n S c h a t t e n z u ü b e r s p r i n g e n .

Hiermit haben wir aber bereits den e r s t e n G o t t e s b e -

w e i s ! Weil der Begriff von Gott in unserem Denken wirklich ge-

faßt wird und in unserem Geiste mächtig ist, muß das Denken auch

die Mittel haben, ihn zu erschwingen. Es müssen über-endliche Be-

standteile in unserem Denken vorhanden sein, sonst könnte der

Begriff des Über-Endlichen von ihm nicht wirklich gefaßt werden.

Und dieser Beweisgrund ist noch zu erweitern. Er ist vom Denken auf das

Gemüt zu übertragen. Wenn Gott nur gedacht werden kann, weil im Denken

Uberweltliches schon enthalten ist, dann kann er auch nur gefühlt werden, weil

im Gemüte Uberweltliches enthalten ist! Geläufig ist das Wort (und philoso-

phisch begründet wurde es von Jacobi), das Unbedingte könne nicht verstandes-

mäßig bewiesen werden, es sei aber eine Forderung des menschlichen Gemütes.

Aber was dem Denken recht ist, muß dem Gemüte billig sein. Kann das Denken

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