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Hervorzuheben ist hier, daß Stetigkeit und Gleichartigkeit

nicht einerlei sind. Wie denn auch bekanntlich die moderne Physik

Kontinuum und Homogenität nicht als einerlei miteinander be-

handelt. So sagt Weyl in seiner Schrift „Was ist Materie?“: „Ruhe

heißt hier [nämlich im elektrodynamischen Felde von der Stärke

Null] soviel wie Homogenität.“

1

Das erregte Feld ist also nicht

homogen, trotzdem aber stetig.

Woher kommt denn zuletzt die euklidische Homogenität? Von

Erfahrungen an starren Körpern, zum Beispiel daß die Maßstäbe /

dieselben bleiben und bei Ortsveränderung denselben Raum ein-

nehmen. Diese Erfahrungen sind praktisch entscheidend, aber be-

grifflich nicht bis zuletzt stichhaltig. Daraus verstehen wir die prak-

tische Gültigkeit sowohl der euklidischen wie nichteuklidischen

Geometrien, weil sie grundsätzlich nur Annäherungen sind und

das N a t u r g e s c h e h e n e b e n s o w e n i g g a n z e r -

s c h ö p f e n w i e d i e m a t h e m a t i s c h e n G e s e t z e d e r

P h y s i k e s t u n .

Daß die Stetigkeit das bloße Nebeneinander des Raumes über-

windet und ein Überräumliches, ein Raumloses im Raume, ein

gleichsam Geistiges im Raume ist, zeigt auch die folgende Über-

legung. Im bloßen „Nebeneinander“ und „Auseinander“ liegt nicht,

daß das, was neben- und außereinander ist, Zusammenhängen (sich

berühren) müsse. Es liegt im Gegenteile darin, daß es nicht zu-

sammenhängt (sich nicht berührt), weil es ja grundsätzlich gegen-

einander gleichgültig und eben darum „außer“einander ist. Sollte es

sich aber doch berühren, dann dürfte dies nur zufällig geschehen.

Im Begriffe des Außereinander ist es nicht gefordert, sondern höch-

stens als Grenzfall zugelassen. Im Raume aber liegt die Stetigkeit

begriffsnotwendig, in ihm liegt damit: daß der Raum ein zusam-

menhängender ist, daß sich die Raumstellen ununterbrochen, lük-

kenlos erstrecken oder „berühren“. „ Z u s a m m e n h ä n g e n “ ,

„ B e r ü h r e n “ h e i ß t a b e r s c h o n , d a ß d i e R a u m -

s t e l l e n n i c h t d u r c h a u s b e z i e h u n g s l o s z u -

e i n a n d e r , n i c h t v o l l k o m m e n g l e i c h g ü l t i g z u -

e i n a n d e r , n i c h t v o l l k o m m e n a u ß e r e i n a n d e r ,

n i c h t s c h l e c h t h i n — d a s h i e ß e : g e t r e n n t —

1

Hermann Weyl: Was ist Materie?, Berlin 1924, S. 75.