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Z w e i t e r , a u f b a u e n d e r T e i l

IV. Der Nachweis, daß Ideen angenommen werden müssen

Ob es Ideen gibt?

Diese Frage wird die heutige Zeit nur dann bejahen, wenn Ideen

in der sinnlich erfahrbaren Welt aufgewiesen werden. Die Ideen

müssen in der Wirklichkeit zu finden sein, wenn der heutige Mensch

an sie glauben soll. Sie müssen aufgezeigt werden als die natura na-

turans inmitten der natura naturata. Nur eine die Erfahrungswelt

zergliedernde Untersuchung kann uns hier genügen. Zwar wäre auch

eine Beweisführung, die von obersten Begriffen der Philosophie,

vom Seinsbegriffe und Gottesbegriffe ausgeht, möglich — ja sie

wäre das höchste, was gefordert wird; aber für die heutige Lage

der Philosophie und der Wissenschaft wird zuletzt nur die Zerglie-

derung der Erfahrung überzeugen.

Daß unsere Erfahrung von solcher Art ist, in der Allgemeines an-

zutreffen sei, steht heute mindestens in dem Sinne außer Zweifel,

daß in ihr Naturgesetze gelten, denn diese sind ein Allgemeines;

ferner in dem Sinne, in welchem Botanik und Zoologie Gattungen

und Arten, die ein Allgemeines sind, aufweisen. — Die Frage ist

nun, von welchem inneren Aufbau, welchem Gefüge die Erfahrungs-

welt gedacht werden muß, um ein Allgemeines zu enthalten? Dar-

auf lautet unsere Antwort: daß sie als Aufbau von Ganzheiten, daß

sie von ganzheitlichem Gefüge gedacht werden müsse

1

.

/

Lassen wir die leblose Körperwelt, wie sie Gegenstand der Physik

und Chemie ist, beiseite, — ein Satz, der für die Ideenlehre ein für

allemal gilt und der unserer früheren Unterscheidung der Natur

vom Geiste entspricht

2

, — so drängt sich die organische Welt,

ebenso wie die gesellschaftlich-geistige Welt dem Blicke unwider-

1

Über den Begriff der Ganzheit als verfahrenmäßigen Grundbegriff siehe

oben S. 35 ff.

2

Siehe oben den Abschnitt Gezweiung höherer Ordnung, S. 167 ff. und

unten S. 439 ff.