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organische Lebenswelt jeweils erfüllende, tatsächlich bestimmende

und gestaltende Ganzheiten. Wie w ä r e d e n n j e n e s „ G e -

f ü g e “ m ö g l i c h , w e n n n i c h t e i n W i r k s a m e s ,

w e n n n i c h t w a l t e n d e G a n z h e i t e n s i c h i n

i h m d a r s t e l l t e n ? Nennen wir diese tatsächlich gestalten-

den, Leben und Gesellschaft organisierenden Ganzheiten „w i r k -

s a m e G a n z h e i t e n“, so sind wir damit bereits bei ontolo-

gischen Wesenheiten angelangt — bei den Ideen. Wir dürfen dann

sagen: Die organische Welt und die gesellschaftlich-geschichtliche

Geisteswelt stellen sich als ein Inbegriff von wirksamen Ganzheiten

oder Ideen dar. Indem sich die wirksamen Ganzheiten dem indivi-

duellen Geiste dadurch darstellen, daß sie sich ihm als „Gesichte“

eingeben, so sind sie die sich den Wesen eingebenden und dadurch

sie erschaffenden G e s i c h t e o d e r I d e e n .

Ist die Annahme „wirksamer Ganzheiten“ nur eine Hypostasie-

rung, eine ungerechtfertigte „Verdinglichung“ von Begriffen

1

? Sol-

len wir (was auf dasselbe hinausläuft) in der Ganzheit einen bloßen

„Geltungszusammenhang“ sehen?

/

Zwar setzt das moderne Denken alles daran, die „Hypostasie-

rung“ (Verdinglichung, Substantiierung, Vergegenständlichung, Ob-

jektivierung oder wie man es sonst genannt hat) von Begriffen zu

vermeiden. Hier gilt es nun genau und unbefangen zu denken und

nicht bestimmten neukantischen Schlagworten zu folgen, die im

letzten Grunde an einer Voraussetzung hängen, welche vom Solip-

sismus nicht frei ist, nämlich an der neukantischen Leugnung des

„Dinges an sich“ und dadurch des Gegenstandes. Der Schritt in jener

sogenannten Verdinglichung ist auch kein anderer als der eben

geschilderte: von der Anerkennung des ganzheitlichen Gefüges,

das die Neukantianer einen bloßen „Geltungszusammenhang“ nen-

nen, zur Anerkennung einer wesenhaften Ganzheit, die in ihrer

Erscheinung als konkreter Gliederbau eben dieses Gefüge zeigt, die

sich in Erscheinungen solchen Gefüges darstellt. Was ist natürlicher

als ein solcher Schritt? Wenn sich der ganzheitlichen Auffassung die

organische und geistige Welt als ein ungeheurer Gliederbau von sich

entfaltenden Ganzheiten darbietet, so ist es nicht mehr ein bloßer

Anblick eines Gefüges der Welt, sondern auch ein Anblick dessen,

1

Das legte Eduard Zeller Platon zur Last, siehe oben S. 394 ff.