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Rückverbundenheit“; „Schauen ist vor Wissen und / Tun“ —

alle diese Sätze und andere, die ihnen entsprechen, sagen uns

übereinstimmend, daß das Niedere an das Höhere gekettet und

gleichsam in dessen Hut ist. Das Niedere macht dem Höheren

Grund, das Höhere beseelt und gibt sich an das Niedere — es ist

überall das sich eingebende und die Einzelwesen dadurch er-

s c h a f f e n d e G e s i c h t o d e r d i e I d e e .

Mit diesen Erkenntnissen ist die Untersuchung bei der Forde-

rung nach einer I d e e n l e h r e angelangt, wie sie in allen tiefe-

ren Philosophien von Platon und Aristoteles bis zu den deutschen

idealistischen Schulen zu finden ist. Was die gesamte Philosophie

mehr als zweitausend Jahre hindurch in ihren vornehmsten Unter-

suchungen beschäftigte, wird allem Empirismus und neukantischen

Sophismus unserer Tage zum Trotze wieder zu Ehren kommen.

Im folgenden werden wir hauptsächlich zwei Gedanken im Be-

griffszusammenhange der Ideenlehre durchzuführen haben: die Be-

schränkung der Idee auf Geist und Leben, was aus dem Begriff

der Gezweiung höherer Ordnung folgt, und den Begriff der Rück-

verbundenheit.

V.

Die Gezweiung höherer Ordnung zwischen Ideenwelt und stoff-

licher Welt als notwendiger Ausgangspunkt der Ideenlehre

Will man für den streng begrifflichen Aufbau der Ideenlehre

sicheren Grund gewinnen, so muß man zuvor jenen überkomme-

nen Irrtum überwinden, den wir schon in der Ontologie aufdeck-

ten. Es ist der Irrtum, eine einfach absteigende Stufenreihe des Seins

vom Höchsten bis zum Niedersten anzunehmen. Diese Vorstellung

läuft zuletzt auf das Schaffen durch Emanation hinaus, wie wir

gleichfalls schon in früherem Zusammenhange gesehen haben

1

. Denn

die stufenweise Herabminderung des Höchsten und Vollkommenen

zu immer / weniger Vollkommenem wird am folgerichtigsten durch

Ausfließung oder Emanation des Schöpfers verständlich gemacht.

Wird der Begriff einer herabsteigenden Stufenordnung des Seins

festgehalten, so ergibt sich — mit oder ohne ausdrückliche Emana-

1

Siehe oben S. 170.